Wochenend-Beilage der Westfälischen Nachrichten
Konzept
der FI
„Panorama“ 25.
August 2001
"Unermüdliches
Engagement"
Die Friedensinitiative Nottuln
Wenn morgen das 20. Nottulner Friedensfest
stattfindet, kann man sich über das Programm Ziviler Friedensdienst
aufklären lassen, das Neueste über die Nottulner
Aktivitäten in Brasilien erfahren, und mit der FDP
über das Thema Windenergie diskutieren. Eine ungewöhnliche Mischung für
ein Friedensfest. Sicher. In Nottuln aber längst eine gute Tradition - und
typisch für den Veranstalter, die Friedensinitiative Nottuln, die seit
20 Jahren besteht.
„Wir verstehen uns als Initiative für das Leben",
sagt Gründungsmitglied Robert Hülsbusch. Als Pro-Initiative, die lokale
Projekte anregt und durchführt, die die Voraussetzungen für ein
globales friedliches Zusammenleben schaffen. Dazu gehören für die FI nicht nur
die Friedensarbeit im engeren Sinne, sondern auch die Beschäftigung mit Ökologie
und Entwicklungshilfe. „Wenn wir die natürlichen Ressourcen nicht schonen,
wird deren Knappheit zu Verteilungskämpfen und Kriegen führen",
argumentiert Hülsbusch. Und nur in einer Welt, die nicht in Arm und Reich
unterschieden ist, könne Frieden herrschen. „Keine andere Organisation
innerhalb der Friedensbewegung verbindet diese verschiedenen Themen so
vorbildlich wie die FI Nottuln“,
sagt Manfred Stenner, Geschäftsführer des Netzwerks Friedenskooperative, des
Dachverbandes deutscher Friedensorganisationen.
Das war aber keineswegs immer so. Rückblende ins Jahr
1981. Als am 10. Oktober
in Bonn 300 000 Menschen gegen den NATO-Doppelbeschluss
demonstrieren, erlebt die deutsche Friedensbewegung einen Zulauf, wie sie ihn ähnlich
nur noch während des Golfkriegs
bekommen wird. Auch mehrere Nottulner fahren nach Bonn und gründen gestärkt
durch das gemeinsame Erlebnis im
Anschluss die FI. Ulla Hülsbusch, Robert Hülsbusch und Heinz Böer, machen den
Anfang. Und gewinnen schnell weitere Mitglieder.
Doch der Euphorie folgt die Ernüchterung. 1983 kassiert
die deutsche Friedensbewegung eine große
Niederlage. Die Raketen, gegen die man demonstriert hat, werden stationiert.
Resignation hält Einzug, und auch der FI bleiben die Mitstreiter weg. Doch der
aktive Kern steckt nicht auf, erweitert das Themenspektrum. Eine
Klage gegen Tiefflüge wird angestrengt, Kontakte nach Hiroshima werden
aufgebaut, die Nazi-Vergangenheit beleuchtet und gegen die Apartheid in Südafrika
gekämpft.
Diese erste thematische Ausweitung
sorgt dafür, dass auch mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes 1990, die FI
nicht „arbeitslos“ wird. Außerdem hat sie schon vor dem Ende der Machtblöcke
das „Blockdenken“ abgeschafft. „Am Anfang glaubten wir, die Weisheit mit Löffeln
gefressen zu haben“, erinnert sich Robert Hülsbusch. Mitte der 80er Jahre
aber öffnet sich die FI. Im Friedensfest spiegelt sich das wider. Ist es bis
1985 noch die Zusammenkunft Gleichgesinnter, so wird es 1986 erstmals zum Podium
für eine breite Diskussion aller Positionen und
Parteien. Auch die Bundeswehr wird eingeladen - und kommt. „Wir hatten
Bedenken, das das nach hinten losgehen kann“, erinnert sich FI-Mitglied
Norbert Wienke. Man sei sich aber im Klaren darüber gewesen, dass man von
anderen lernen und die eigene Position nur dann gut sein kann, wenn sie
Gegenargumenten standhält.
Diese grundsätzliche Öffnung nehmen die Hardliner unter
den Friedensbewegten den Nottulnern übel. Die Akzeptanz der FI in
Nottuln aber wächst. 1989 bekommt man erstmals einen Zuschuss der
Gemeinde. Die Initiative ist im Ort etabliert. Der
Versuch jedoch, schon vor dem Ende des Ost-West-Konfliktes eine Städtepartnerschaft
Nottulns mit einer polnischen Stadt zu initiieren, schlägt fehl. Das gelingt
erst 1992.
Ein Erfolg. Typisch ist aber, dass solche lokalen Erfolge
den internationalen nicht entsprechen. Im Golfkrieg kann die Friedensbewegung
zwar wieder viele Menschen mobilisieren, dass er aber ausgebrochen ist,
empfindet die FI als Niederlage. Brenzlig wird’s für die deutsche
Friedensbewegung mit den Auseinandersetzungen in Ex-Jugoslawien. Als in
Srebrenica die Schutztruppen mit ansehen müssen, wie unzählige Bosnier
abgeschlachtet werden, wird der Pazifismus
auf eine harte Probe gestellt. „Srebreniza hat in der Friedensbewegung
zu schmerzhaften Diskussionen geführt“, sagt Manfred Stenner. Wenn auch eine
Spaltung verhindert wird, die interne Diskussion verhindert ein geschlossenes
offensives Auftreten. Auch die FI Nottuln ringt nach einer Meinung und sagt dann
Ja zur Verteidigung der Wehrlosen. Dieser „kritische, differenzierte und
nicht-ideologische Pazifismus“, wie sie ihn nennt, wird ab 1996 als Basis für
die Neuorientierung der gesamten deutschen Friedensbewegung diskutiert.
Die FI hat an ihm auch im Fall des UN-Einsatzes im Kosovo
festgehalten, auch wenn man
angesichts der Wirklichkeit des Krieges wie die übrige Friedensbewegung
schnell davon abgerückt ist. Dass im Nachhinein bekannt wurde, dass die
Öffentlichkeit möglicherweise falsch informiert worden ist, um den
Kriegseinsatz mitzutragen, empfand die FI deshalb als besonders enttäuschend.
Sie startete eine neue bundesweite Initiative zur Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses, der die Vorwürfe prüfen soll.
Die FI Nottuln ist seit 1996 bundesweit aber nicht nur
wegen ihres differenzierten Pazifismus Gesprächsstoff der Friedensbewegung.
Auch die inzwischen stattgefundene thematische Ausweitung ist für die
anderen Friedensbewegten interessant und hat
ihr unter anderem den Förderpreis Konziliarer Prozess der Evangelischen
Kirche von Westfalen eingetragen.
So hat sie
beispielsweise in Nottuln die Hilfe für Kinder aus Tschernobyl mit ins Leben
gerufen und mit anderen Gruppen aus
Nottuln einen Brasilien-Aktionskreis gegründet. Die FI hat 2000 Nottulner für
eine Demo mobilisiert, als in der Gemeinde Skinheads Ausländer angreifen,
hat einen Runden Tisch gegen Gewalt mitinitiiert, um solchen Tendenzen im
Vorfeld zu begegnen, hat ein
Projekt mitkonzipiert, das die Nutzung der Windenergie mit Entwicklungshilfe
koppelt, das CarSharing aufs Land geholt und
Solaranlagen auf Nottulner Dächern
installiert.
Nicht alle Aktionen sind erfolgreich, mancher Vorstoß
scheitert - so zum Beispiel der Bürgerentscheid für einen autofreien Ortskern
in Nottuln. Dennoch ist die FI ständig im Einsatz. „Ich frage mich immer
wieder, wie die wenigen Leute das schaffen“, staunt Manfred Stenner. Denn
auch wenn die FI rund 70 Mitglieder hat, kaum mehr als 15 Aktive arbeiten
kontinuierlich mit. „Die Engagierten sind immer in der Minderheit“, sagt
Robert Hülsbusch.
Und sie
werden älter, wie er zugeben muss. Es sind immer noch die selben
Friedensbewegten von 1981, die auch heute noch kontinuierlich arbeiten. Das gilt
für die FI wie für die gesamte deutsche Friedensbewegung, wie Manfred Stenner
bestätigt. Doch während diese seit der Regierungsübernahme der rot-grünen
Koalition damit zu kämpfen hat,
ihre Themen - wie die vorbeugende Krisenarbeit
- zu Gehör zu bringen, ist die FI aus Nottuln längst nicht mehr wegzudenken. Bürgermeister
Heinz Fliß gratulierte zum „20-Jährigen“ mit den Worten: „Wir brauchen
Sie hier, machen Sie so weiter.“
www.fi-nottuln.de
Das 20. Nottulner Friedensfest findet am Sonntag (26.
August) ab 10 Uhr im Nottulner Ortskern statt.