Gabi Mense-Viehoff           48301 Nottuln,10.02.2001
Friedensinitiative Nottuln          Daruper Str. 17
 Tel. 02502 8242
 

Herrn
Winfried Nachtwei
MdB/ Bündnis die Grünen
 
 

Lieber Winni.,
 

am 27. Januar hatte Barbara Gladysch, Vorsitzende der Mütter für den Frieden Deutschland, nach
Düsseldorf zu einem Info ? Tag eingeladen. Seit vielen Jahren ist die Friedensinitiative in Kontakt mit Barbara, zuletzt besuchte sie uns vor einem Jahr., als der 2. Tschetschenienkrieg in voller Härte ausgetragen wurde und über den die Medien damals Tag für Tag, berichteten. Unsere wöchentlichen Mahnwachen auf dem Markt stießen auf wenig Resonanz. So baten wir Barbara als Tschetschenienexpertin um ihre Einschätzung der Situation, auch weil wir uns über ihr Projekt "Kleiner Stern“ in Grosny, das wir ideell und auch finanziell unterstützen, informieren wollten. Der „Kleine Stern“ wurde Anfang 1997 ? nach dem ersten Krieg von Chris Hunter ( CPCD), Barbara Gladysch und tschetschenischen Freunden in Grosny gegründet, ein Rehabilitationszentrum für die traumatisierten Kriegskinder. In Grosny gab es jetzt wieder Hoffnung, Wärme und Licht für Kinder... bis zum 2. Krieg im September 1999. Die Menschen flohen in die Nachbarrepublik Inguschetien. Auch die Gebäude des "Kleinen Stern" wurden ausgelöscht und verwüstet. In großen Kinderzelten der Unicef nahmen die Pädagogen und Therapeutinnen des " Kleinen Stern" ihre Arbeit mit den Tschetschenischen Flüchtlingskindern in Inguschetien wieder auf. Es sind Kinder, die zum zweiten Mal den Krieg, erleben. Auch in Grosny soll die psychosoziale und schulische Betreuung wieder aufgenommen werden, man schätzt, dass in der Ruinenwüste inzwischen wieder 60.000 bis 80.000 Menschen leben, davon sicher 30.000 Kinder. In Grosnv herrscht noch immer Krieg, auch wenn wir kaum noch etwas darüber hören: Seit September 1999 wird die Zahl der getöteten Tschetschenen auf 45.000 Menschen geschätzt. 400.000 sind Flüchtlinge ? die Hälfte davon lebt in Flüchtlingslagern in Inguschetien. Etwa 20.000 Kinder haben einen Elternteil verloren. 3000 Kinder wurden Vollwaisen. Die Zahl der im 2. Krieg verletzten Kinder wird auf 16.000 geschätzt, im 1. Krieg waren es bereits 5000 Kinder. Diese humanitäre Katastrophe ist für uns kaum vorstellbar. Was uns aber ebenso unvorstellbar erscheint ist, dass die Bundesregierung, die Politiker aller Parteien den Krieg in Tschetschenien tabuisieren und ignorieren. Die Friedensinitiative Nottuln schließt sich darum dem Appell der „Mütter für den Frieden“ mit aller Energie und Deutlichkeit an: " Kümmern Sie sich ? auf politischer Ebene ? um ein Volk, das zu Europa gehört, gegen das Russland heute noch Krieg führt und das auch ein Recht auf Solidarität und Hilfe hat von uns Deutschen! Nicht in erster Linie um humanitäre Hilfe, sondern um politische, kluge, diplomatische ? und ehrliche Unterstützung bitten die Tschetschenen." Barbara Gladysch lädt interessierte Politiker herzlich ein, mit ihr zusammen nach Inguschetien zu gehen, mit den Flüchtlingen dort zu sprechen, ihre Geschichten zu hören ... und sich auf den Weg nach Grosny zu machen und sich an Ort und Stelle zu informieren. Lieber Winni, wir bitten dich zu allererst um deine Meinung und Stellungnahme, wichtig ist uns aber auch, wie die Bundesregierung ? voran der Außenminister Joschka Fischer ? zu dieser grausamen Misere Stellung nimmt.
Wir grüßen dich alle ganz herzlich!

Gabi Mense-Viehoff