Herrn
Winfried Nachtwei
MdB/ Bündnis die Grünen
Lieber Winni.,
am 27. Januar hatte Barbara Gladysch, Vorsitzende der Mütter für
den Frieden Deutschland, nach
Düsseldorf zu einem Info ? Tag eingeladen. Seit vielen Jahren
ist die Friedensinitiative in Kontakt mit Barbara, zuletzt besuchte sie
uns vor einem Jahr., als der 2. Tschetschenienkrieg in voller Härte
ausgetragen wurde und über den die Medien damals Tag für Tag,
berichteten. Unsere wöchentlichen Mahnwachen auf dem Markt stießen
auf wenig Resonanz. So baten wir Barbara als Tschetschenienexpertin um
ihre Einschätzung der Situation, auch weil wir uns über ihr Projekt
"Kleiner Stern“ in Grosny, das wir ideell und auch finanziell unterstützen,
informieren wollten. Der „Kleine Stern“ wurde Anfang 1997 ? nach dem ersten
Krieg von Chris Hunter ( CPCD), Barbara Gladysch und tschetschenischen
Freunden in Grosny gegründet, ein Rehabilitationszentrum für
die traumatisierten Kriegskinder. In Grosny gab es jetzt wieder Hoffnung,
Wärme und Licht für Kinder... bis zum 2. Krieg im September 1999.
Die Menschen flohen in die Nachbarrepublik Inguschetien. Auch die Gebäude
des "Kleinen Stern" wurden ausgelöscht und verwüstet. In großen
Kinderzelten der Unicef nahmen die Pädagogen und Therapeutinnen des
" Kleinen Stern" ihre Arbeit mit den Tschetschenischen Flüchtlingskindern
in Inguschetien wieder auf. Es sind Kinder, die zum zweiten Mal den Krieg,
erleben. Auch in Grosny soll die psychosoziale und schulische Betreuung
wieder aufgenommen werden, man schätzt, dass in der Ruinenwüste
inzwischen wieder 60.000 bis 80.000 Menschen leben, davon sicher 30.000
Kinder. In Grosnv herrscht noch immer Krieg, auch wenn wir kaum noch etwas
darüber hören: Seit September 1999 wird die Zahl der getöteten
Tschetschenen auf 45.000 Menschen geschätzt. 400.000 sind Flüchtlinge
? die Hälfte davon lebt in Flüchtlingslagern in Inguschetien.
Etwa 20.000 Kinder haben einen Elternteil verloren. 3000 Kinder wurden
Vollwaisen. Die Zahl der im 2. Krieg verletzten Kinder wird auf 16.000
geschätzt, im 1. Krieg waren es bereits 5000 Kinder. Diese humanitäre
Katastrophe ist für uns kaum vorstellbar. Was uns aber ebenso unvorstellbar
erscheint ist, dass die Bundesregierung, die Politiker aller Parteien den
Krieg in Tschetschenien tabuisieren und ignorieren. Die Friedensinitiative
Nottuln schließt sich darum dem Appell der „Mütter für
den Frieden“ mit aller Energie und Deutlichkeit an: " Kümmern Sie
sich ? auf politischer Ebene ? um ein Volk, das zu Europa gehört,
gegen das Russland heute noch Krieg führt und das auch ein Recht auf
Solidarität und Hilfe hat von uns Deutschen! Nicht in erster Linie
um humanitäre Hilfe, sondern um politische, kluge, diplomatische ?
und ehrliche Unterstützung bitten die Tschetschenen." Barbara Gladysch
lädt interessierte Politiker herzlich ein, mit ihr zusammen nach Inguschetien
zu gehen, mit den Flüchtlingen dort zu sprechen, ihre Geschichten
zu hören ... und sich auf den Weg nach Grosny zu machen und sich an
Ort und Stelle zu informieren. Lieber Winni, wir bitten dich zu allererst
um deine Meinung und Stellungnahme, wichtig ist uns aber auch, wie die
Bundesregierung ? voran der Außenminister Joschka Fischer ? zu dieser
grausamen Misere Stellung nimmt.
Wir grüßen dich alle ganz herzlich!
Gabi Mense-Viehoff