Thomas Krahe, Sindelsdorferstr.9, 83673 Bichl, Tel.: 08857/697 282, E-Mail:  tkrahe@01019freenet.de


 

 

Thesen zur Friedensbewegung für die Perspektivenkonferenz am 4.-5.Oktober 2000 aus der wissenschaftlichen Untersuchung "Frieden braucht Bewegung"

 

Diese Thesen sind Resultat einer 8-monatigen wissenschaftlichen Untersuchung über die Friedensbewegung in der Region Bayern während des Kosov@ Nato Krieges. Die Ergebnisse (Stand März 2000) stellen keine persönliche Meinung dar. Ziel der Untersuchung war es, eine Analyse der Friedensbewegung vorzunehmen und Ansatzpunkte für ihren erfolgreichen und motivierten Wiederaufbau zu ermitteln. Die Ergebnisse dienen der Selbstüberprüfung und sollen in einem zweiten Schritt der praktischen Umsetzung dienen. Diese Phase ist in Bayern seit Mai im Gange und hat schon einige sehenswerte Resultate vorzuweisen.

Die Übertragung der Ergebnisse auf die bundesdeutsche Friedensbewegung ist sicherlich noch im Detail zu überprüfen. Meine Erfahrungen mit der Arbeit in anderen Regionen legen allerdings eine hohe Wahrscheinlichkeit nahe. Es hat sich gezeigt, daß die Studie als Diskussionsgrundlage wichtige Impulse für Veränderungen geben kann.

 

 

Einführung:

 

Identität ist die Übereinstimmung von Selbstbild und Fremdbild. Je mehr sich die Friedensbewegung mit ihrem eigenen Zustand beschäftigt und ein konkretes Profil von sich zeichnet, desto unverwechselbarer wird sie von außen wahrgenommen. Je weniger sie sich selber ins Gesicht schaut, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit fehlinterpretiert und mißverstanden zu werden.

 

Ein Hauptergebnis der Studie besagt, daß die Friedensbewegung zu sich wenig mit sich selbst beschäftigt. Gleichzeitig leidet sie daran, weil viele sehr wohl spüren, daß ihre Außenwirkung nicht ihren Erwartungen entspricht. Ohnmachts- und Erfolglosigkeitsgefühle und Engagement mit zusammengebissenen Zähnen sind weit verbreitet. Damit bin ich bei der zweiten grundlegenden These.

 

 

Die Studie hat bestätigt, daß ein motiviertes Engagement eng an das subjektive Gefühl, erfolgreich zu sein, gekoppelt ist.

 

Erfolg bedeutet hier, die Fähigkeit das eigene lokale Tun in den Zusammenhang nationaler und internationaler Ereignisse zu bringen. Erfolge zu erkennen setzt also die Fähigkeit voraus, die internen Bedingungen hinterfragen und mit dem entsprechenden Ziel in Verbindung bringen zu können.

Ein Hauptmerkmal der Friedensbewegung ist eine weitläufig gewohnheitsmäßige Routine aus den Erfahrungen der achtziger Jahre und früher. Die Erfolgsmaßstäbe sind überwiegend hoch angesetzt und orientieren sich an der Reaktion - dem Zuspruch - von außen (Öffentlichkeit, Kirche, Gewerkschaften, Verbänden, Parteien etc.). Zitat: "Wir sind erst erfolgreich, wenn die Leute massenhaft auf die Straße gehen"

Eine differenziertere Wahrnehmung von Erfolgen tut not. Massen auf den Straßen beschreiben Hochs einer Bewegung, der Weg dahin setzt allerdings die erfolgreiche Bewältigung vorhergehender Anforderungen voraus. Dazu gehören z.B. der Nachweis des Problems und des Versagens der Institutionen, aber auch eine funktionierende Vernetzung und das Nutzen von Ereignissen, die das Problem symbolisch dramatisieren. Die wachsende Sympathie der Öffentlichkeit muß durch genaue Untersuchungen festgestellt werden. Tendenzen sollten als Stein auf dem Weg zum Erfolg zugelassen werden. Strategiekonzepte wie der Movement Action Plan sind für Reflexion und Erfolgsüberprüfung notwendig.

 

Thesen:

 

Die bayerische Friedensbewegung ist eine Nachfolgebewegung der Friedensbewegung der achtziger auf der Suche nach einer neuen Identität. Die Klärung gemeinsamer Ziele und der Bedingungen für einen legitimen/illegitimen Krieg sind Herausforderung für die Zukunft.

 

Die Untersuchung hat gezeigt, daß die allermeisten Gruppierungen keine klaren Ziele haben. Die Verwechslung von Zielen mit Werten bzw. Mitteln ("Die Öffentlichkeit sensibilisieren") ist weitverbreitet. Tragendes gemeinsames Ele-ment ist eine Vision/Werte wie Frieden und Gerechtigkeit. Konkrete politische Ziele, eine identifizierbare Ziel-hierarchie, unterteilt in lang-, mittel- und kurzfristig, über- und untergeordnet ist die Ausnahme. Die Aktivitäten orientieren sich hauptsächlich an tagespolitischem Geschehen. Damit machen sich die Gruppierungen von äußeren Anlässen abhängig und reagieren lediglich statt zu gestalten. Selbst genannte Ziele werden überwiegend nicht bewußt und konsequent verfolgt. Das hat zur Folge, daß sich die Bewegung selber in die Ohnmacht führt. Sie überfordert sich gewaltig aufgrund der Themenfülle, der sie sich ausgesetzt sieht.

Eine Bewegung entsteht erst durch die Definition von Gemeinsamkeit und gemeinsamen Zielen. Statt der Themenfülle sollte die Bewegung lernen, Themen bewußt auszuwählen - zu Gunsten gemeinsam verfolgter Ziele. Die verschiedenen Teilbewegungen sollten unter einem Dach auf gemeinsame Ziele hin arbeiten statt vor sich hinzuwurschteln. Damit vermittelt man ein einiges und identifizierbares Bild nach außen.

 

Selbst in den Werten ist sich die Bewegung nicht einig. Der Kosov@ Nato Krieg hat die Spaltung der Bewegung in Bellizisten und Pazifisten deutlich. Dies ist das Resultat einer wenig intensiv ausgebildeten inhaltlichen Arbeit und eines Argumentationsstiles im Sinne eines emotionalen Pazifismus (Argumentieren mit Werturteilen "Das sind halt alle Kriegstreiber..."). Die Intensivierung inhaltlicher Arbeit, der wissenschaftliche Nachweis, daß das Problem besteht und die Gegenseite unrecht hat, war eine wichtige Qualität in den Achtzigern und sollte wieder entwickelt werden. Das Argumentieren im Sinne eines rationalen Pazifismus ist ein wesentlicher Garant für Überzeugungskraft und Ausstrahlung. Seit dem Kosov@ Nato Krieg ist die inhaltliche Qualität verbessert worden. Der Schock des Krieges hat einen positiven Impuls gegeben. Diese Entwicklung sollte auf jeden Fall weiterentwickelt werden.

 

 

Die Friedensbewegung bezieht ihren Rückhalt aus einem aktiven harten Kern und der Generation des 2. Weltkrieges. Sie braucht Konzepte, um aktive Mitglieder und Sympathisanten zu werben. Dazu muß sie sich nach innen und außen öffnen.

 

Die Zahl der Aktiven ist weitgehend konstant geblieben. Dieser harte Kern ist seit den Achtzigern und früher dabei. Die Unterstützer sterben langsam weg. Das stellt vor allem große Organisationen vor die Existenzfrage aufgrund rück-läufiger Mitgliedsbeiträge. Die Bewegung hat es versäumt, sich andere Generationen zu erschließen. Wichtige Träger der Bewegung, nämlich das christliche und junge Spektrum sind verloren gegangen. Dabei vertreten sie traditionell ähnliche Werte wie die Bewegung.

In der täglichen Arbeit spielt die Differenzierung von Zielgruppen fast keine Rolle ("Gesamte Bevölkerung erreichen"). Dabei zeigt sich, daß das Ansprechen bestimmter Bevölkerungskreise sehr wohl erfolgreich ist. Voraussetzung dafür ist aber, daß die entsprechende Zielgruppe ernst genommen wird. Damit bedarf es einer veränderten Einstellung. Die meisten Aktiven erwarten, daß sich Neue in der selben Form, der selben Verbissenheit für das selbe Weltbild engagieren. Die Wenigsten stellen sich die Frage, wie Andere von ihnen profitieren bzw. was sie ihnen bieten können (geschweige davon, daß es auch Spaß machen soll). Trauen sich Neue mal zu einem Treffen, so werden sie höchstens nach ihrem Namen gefragt, nicht aber nach ihren Anliegen.

Dazu kommen eine Menge Vorurteile, wie z.B. der jungen Generation gegenüber. Die Shell-Studie 2000 belegt, daß die Jugend sozialen Bewegungen am meisten Vertrauen entgegenbringt. Sie sind auch bereit, sich zu engagieren. Dafür aber müssen ihre Motive dafür ernst genommen werden. Jugendliche sind nicht zur ständigen Sitzungsarbeit zu motivieren, aber wenn es um konkrete und intensive Aktionen geht (s. die Brückenblockade in Bad Tölz zum Jahrestag). Eine ähnliche Differenzierung kann man auch bei anderen Zielgruppen vornehmen. Das Leben der Menschen hat sich verändert. Die Friedensbewegung muß lernen, dem Rechnung tragen.

 

 

Die Friedensbewegung muß die Qualität der gewaltfreien Aktion wieder entwickeln. Ihr fehlt die Rolle der Rebellen.

 

Während des Kosov@ Nato Krieges wurden überwiegend appellative Aktionsformen eingesetzt, mit denen vor allem "Gleichgesinnte" im Sinne von Befürwortern erreicht wurden (Infoveranstaltung, Kundgebung, Mahnwache...). Formen, die einen Meinungsbildungsprozeß ermöglichen, gab es wenig. Die Aktionsformen werden aus einer Art Katalog aus Gewohnheit ausgewählt. Phantasievolle und kreative Formen sowie Aktionen zivilen Ungehorsams fehlten ganz. Eine Bewegung kommt aber nicht ohne diese Formen aus. Sie ergänzen Formen informativen Charakters mit denen, die den Wertewiderspruch symbolisch und oft dramatisch aufzeigen. Sie bringen ein lautes "Nein" mit einem Höchstmaß an Energie auf die Straße. Traditionell füllen die "Rebellen" diese Rolle aus. Das sind in der Regel junge Menschen.

Als Gründe für den Verlust dieser Qualität stehen zum Einen das Alter der Bewegung und damit veränderte Lebens-konzepte und Einstellungen, zum Anderen spielt das ungeklärte Machtmodell (der Weg zur Macht) eine Rolle. Was das bedeutet erklärt die folgende These.

 

 

Die bayerische Friedensbewegung muß sich mit ihrem Selbstverständnis als soziale Bewegung beschäftigen. Sie hat Teile von sich schrittweise in die Institutionen integriert und dadurch ihre kritische Distanz zum Parteiensystem aufgeweicht. Damit hat sie sich selbst geschwächt und in eine fatale Abhängigkeit begeben. Eine Klärung über die eigene Machtgrundlage und daraus resultierendes Machtmodell ist  erforderlich. Sie sollte in eine (selbst)kritische Auseinandersetzung mit den Grünen treten.

 

Grünen und SPD wurden ein hohes Maß an Vertrauen entgegengebracht, sie galten als Verbündete. Erst mit Beginn des Kosov@ Nato Krieges änderte sich das schlagartig. Die Folge war ein Schockzustand. Bis dahin hatte sich die Einstellung gehalten: "Die denken, fühlen und handeln wie wir".

Die Untersuchung zeigt, je mehr Einblick Bewegte in den Entscheidungsfindungsprozeß von Parteien hatten, desto weniger waren sie überrascht oder geschockt. Dasselbe gilt für diejenigen, die ein Machtmodell vertreten, das die Machtverhältnisse umkehren will und nicht nur durch Überzeugungsarbeit Einfluß auf die Entscheidung der Machteliten ausüben will. Damit scheint die Bewegung an Biss verloren zu haben. Die sinnvolle Kooperation mit Parteien in den Achtzigern hat sich verschoben zu einer unkritischen Nähe.

Parteien funktionieren vollkommen anders als Bewegungen. Während Bewegungen die Überlebens- oder Wahrheitsfrage in den Mittelpunkt stellen, entscheidet bei Parteien die Zahl der besetzten Positionen über den Grad an Faulheit des Kompromißes. Falsch wäre es jetzt, SPD und Grüne zu verteufeln, denn die Friedensbewegung hat eine Mitverantwortung dafür. SPD und Grüne können die Anliegen einer Bewegung nur so konsequent vertreten wie die Bewegung stark ist. Die Bewegung hat die Aufgabe, die Parteien zu kontrollieren. Durch die massive Abwanderung von Aktiven zu den Grünen hat sie sich selber geschwächt und damit ihre Kontrollfunktion geschwächt. Hier gilt es, in eine selbstkritische Auseinandersetzung zu treten und neue Vereinbarungen im Umgang miteinander zu treffen.

 

Voraussetzung dafür ist allerdings die Klärung des Machtmodells. Nur über die Umkehrung der Machtverhältnisse über den Kampf um die Mehrheit der Köpfe und Herzen der Öffentlichkeit hat die Bewegung Aussicht auf Erfolg. Über den reinen Appell an die Machteliten durch Überzeugungsarbeit wird die Bewegung anfällig für die schrittweise Integration in die Institutionen. Frieden braucht Bewegung und damit klare Abgrenzungen zu Parteien..

 

 

Die Friedensbewegung scheint sich der überregionalen Vernetzung wenig bewußt zu sein. Der praktische Nutzen von langfristig angelegten Netzwerken und entsprechenden Organisationsstrukturen muß herausgestellt und damit ihre Bündnisfähigkeit wiederhergestellt werden.

 

Vernetzung bedeutet die Gestaltung der Gemeinsamkeiten und des Verbindenden. Sie grenzt eine Gruppe von einer Bewegung ab. In den Achtzigern war sie eine entscheidende Qualität für den Erfolg der Bewegung.

Heute werden die Gemeinsamkeiten punktuell und regional stark begrenzt gestaltet. Es existiert eine Low-Level-Vernetzung, die im Bedarfsfalle auf ein ruhendes Netz zurückgreift. Sie dient zur Erfüllung gruppenegoistischer Motive. Gleichzeitig verpuffen dadurch Energien und das Engagement wird ermüdend.

Die Gruppierungen in Bayern sind nur in ihrer unmittelbaren Umgebung vernetzt (stadtbezogen - auf dem Land die unmittelbaren Dörfer). Sonst existieren lediglich informelle Kontakte zu anderen Gruppen. Nur Teilbewegungen sind thematisch miteinander vernetzt. Und Organisationen greifen auf ihr eigenes Netzwerk zurück. Bundesweite Vernetzungsinstanzen wie Friedensratschlag oder Friedenskooperative haben wenig Bedeutung für die Alltagsarbeit. Im Kosov@ Nato Krieg wurden aber auf bestehende oder ruhende Kontakte zrückgegriffen. Vorrangiges Motiv dafür war die Beschaffung von Informationen für die eigene Gruppierung und dem Bedürfnis, sich nicht alleine zu fühlen. Praktisch niemand stellte sich die Frage, wie andere Gruppierungen von ihnen profitieren könnten. Damit wird deutlich, daß gegenseitige Achtung, Wahrnehmung und Bedürfniserfüllung als Beschreibung von Gemeinsamkeit und sinnstiftender Kommunikation unterentwickelt sind.

 

Gründe dafür sind der vorwiegend organisatorische statt inhaltliche Arbeitsschwerpunkt und die mangelnde persönliche Auseinandersetzung in den Gruppierungen. Inhaltliche Auseinandersetzung beflügelt Ziele und damit Perspektiven (inhaltliche Gemeinsamkeit). Die persönliche Auseinandersetzung in den Gruppen findet wenig statt. Die Meisten waren im Kosov@ Nato Krieg mit ihren Gefühlen auf sich selbst gestellt. Das Kommunikationsklima ist belastend. Statt in einen konstruktiven Austausch zu treten, herrschen endlose Diskussionen mit dem Focus auf Unterschieden in den Meinungen. Auf deutsch: Streit. Die Gemeinschaft wird als wenig sinnstiftend und zufriedenstellend erfahren. Für viele stellt sich die Frage nach dem Sinn des Engagements, da sie ihre Kraft aus der eigenen Persönlichkeit beziehen müssen. Die Schwachen geben auf, die Starken überleben.

Tendenziell findet immer weniger Bereitschaft zur Auseinandersetzung (inhaltlich und persönlich) statt und damit auch mangelndes Interesse an der Auseinandersetzung nach außen hin. Organisatorische Tätigkeiten und Aktionen alleine erzeugen nicht genügend Motivation und Zusammenhalt. Und das wirkt auch auf Neue wenig attraktiv. Trotzdem ist das Bedürfnis nach einer besseren Vernetzung stark ausgeprägt.

 

Bestehenden Vernetzungsgremien sollten diesen Wunsch aufgreifen. Dazu ist es notwendig, zu überprüfen, inwieweit sie die wesentliche Funktionen der Vernetzung (Reflexion - Integrations- und Bündnisfähigkeit durch Kompromiß - Koordination von Aktivitäten und Initiierung gemeinsamer Aktionen - Stiftung von Identität) ausfüllen bzw welche sie wie ausfüllen können. Wichtig ist, daß sie eine gemeinsame Kommunikation und Entscheidungsfindung anstoßen, indem sie für die Bewegung oder Teilen davon entsprechende Treffpunkte organisieren und initiieren, damit sie tragfähige regionale und überregionale Netzwerke ausbilden können. Die Ressourcen der Bewegung wie Friedensforschung und Bildungswerke müssen wieder integriert werden. Der Einfluß bestehender Vernetzungsinstanzen auf die Alltagsarbeit muß überprüft und optimiert werden.

 

 

Verbindlichkeit in Gruppe, Arbeit und Strukturen erhöht die Qualität des Engagements

 

Die Untersuchung hat festgestellt, daß verbindlichere Strukturen (Aufgaben- und Arbeitsteilung, geregelte Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen, Grundsatzpapiere etc.) die Ausbildung von Zielhierarchien und deren konsequente Umsetzung, eine geklärte pazifistische Position, die Wahrnehmung von differenzierten Erfolgen und das positive subjektive Empfinden beeinflußen.

Keinen Einfluß haben sie auf die Vorstellungen und Umsetzung der Vernetzung und die Gruppendynamik.

 

Verbindlichkeit bedeutet neben klärenden Strukturen auch das Erweitern der Handlungsfähigkeit durch methodisches Vorgehen in der Konzipierung von Aktivitäten und Strategien (Movement Action Plan), der Mitgliederwerbung, der Geldbeschaffung (Fundraising) und dem Einsatz von Ressourcen, der internen Gruppenarbeit (Moderations- und Arbeitstechniken) sowie dem Schaffen von Highliht-Treffen, die dem positiven Erleben des persönlichen Miteinanders dienen. Das dazu notwendige Wissen stellen viele friedenspädagogische Bildungswerke bereit, deren Angebote werden von der Bewegung aber nicht wahrgenommen. Gleichzeitig leiden viele an diesen Problemen.

Deswegen braucht die Bewegung Menschen, die auf die Gruppen zugehen, mit ihnen die Probleme konkretisieren, individuelle Lösungen erarbeiten und dann auf das jeweilige Bildungsangebot verweisen bzw. mit dem Bildungswerk ein Konzept dafür maßschneidern. Die Gruppen brauchen Beratung und Prozeßbegleitung.

Hier sehe ich vor allem die großen Organisationen in der Pflicht. Denn sie haben die besten Ressourcen dafür. Sie können sich solche Menschen leisten, sich dadurch im Innern konsolidieren und als Vorbild nach außen wirken. Gleichzeitig sollten sie die Einzelinitiativen nicht alleine lassen.

 

 

Der starke Wunsch nach mehr finanziellen Ressourcen scheint die eigentliche Krise der Friedensbewegung zu überdecken. Ihre finanzielle Ausstattung wird besser, wenn sie sich mehr mit sich selber beschäftigt und ihre Überzeugungskraft wiedergewinnt. Dazu kommt der Erwerb von Kompetenzen, um Finanzkonzepte zu entwickeln.

 

Geld spielt eine wichtige Rolle in der Friedensbewegung. Geld ist notwendig und ermöglicht die Unterhaltung von Büros und Hauptamtlichen. Viele sind mit dem reinen Ehrenamt unzufrieden. Der Wunsch nach mehr Geld steht ganz oben auf der Liste der Bedürfnisse.

Während des Kosov@ Nato Krieges waren die meisten Aktivitäten über Spenden abgedeckt. Es stellt sich die Frage, ob der starke Wunsch nach Geld nicht vom eigentlichen Problem ablenkt. Eine Bewegung mit erkennbarem Profil und überzeugender Ausstrahlung gewinnt Sympathisanten und damit Geld. Daran sollte gearbeitet werden.

Bei der Überprüfung, wie denn vorhandenes Geld eingesetzt wird, zeigt sich, daß da eine wesentlich höhere Effizienz erreicht werden könnte. Die Organisation einer 1000,- DM teuren Kundgebung, an der wohlweislich nur 30 Leute teilnehmen, ist wirtschaftlich gesehen Blödsinn. Dazu kommt, daß eine solche Kosten-Nutzen Überprüfung oder Planung häufig gar nicht erfolgt. Auch der organisatorische Schwerpunkt der meisten Gruppierungen, nämlich Ostermarsch und Herbstaktionen, sind ohne klare Zielverfolgung wirtschaftlich unrentabel.

Die momentane Tendenz, sich vermehrt um staatliche Gelder zu bemühen, ist mit gefährlichen Risiken behaftet. Erstens ersetzen sie kein Profil, zweitens schaffen sie Abhängigkeiten, mit denen die Bewegung stehen und fallen kann, und drittens tragen sie Konkurrenz und ein an der eigenen Gruppierung orientiertes Denken in die Bewegung. Damit entsteht ein Machtgefälle in der Bewegung. Die aktuelle Stiftung zeigt dies deutlich auf.

 

Eine Lösung bestünde darin, ein sinnvolles Finanzkonzept zu erstellen. Das heißt eine Mischfinanzierung zu erreichen, deren Hauptteil aus nicht-staatlichen Quellen besteht, und gleichzeitig die Effizienz und Wirtschaftlichkeit zu erhöhen. Die Beschäftigung mit Fundraising (kompetentes Spendensammeln) gibt dafür viele Impulse, z.B. Erstellen eines Spendenbriefes,  Erhöhung des Spendenaufkommens über den Verteiler, fachgerechtes Verwalten einer Adressenkartei, Nutzen von Postwurfsendungen, Beilegen von Überweisungsträgern bei Veröffentlichungen etc. Solche Fundraiser könnten hauptamtlich in der Bewegung arbeiten. Netzwerke könnten sich das leisten. Dazu ist allerdings eine funktionierende Vernetzung notwendig.

 

 

Die Herausforderungen an die Friedensbewegung sind bewältigbar. Der Kosov@ Nato Krieg ist Chance uns Ansatzpunkt dafür.

 

Sich die eigenen Stärken und Schwächen genau anzusehen, ist die Voraussetzung für eine Veränderung. Das sollte keineswegs entmutigen, sondern als Chance begriffen werden. Vor einem viel größeren Problem stünden wir, wenn auch der Beginn des Kosov@ Nato Krieges nicht zu einer Reaktion geführt hätte. Es ist eine beachtliche Leistung, daß die Bewegung seit den Achtzigern beharrlich weiter das sicherheitspolitische Anliegen fortführt. So pervers es klingen mag, die Rechtfertigung des Krieges mit Menschenrechten ist ein Erfolg der Bewegung. Denn die sozialen Bewegungen haben damit grundlegende Werte in der Gesellschaft verankert. Freilich ist jetzt der Nachweis der Unaufrichtigkeit in der Argumentation zu leisten. Aber die Vorarbeit ist getan.

 

Mehr Gelassenheit und weniger Verbissenheit täten ihr sehr gut. Die Probleme können nicht von heute auf morgen gelöst werden, aber schrittweise. Das Wissen ist vorhanden. Wenn auch die Einsicht und der Wille hinzukommen, beginnt die Veränderung. Außerdem gibt es Personen und Gruppierungen, die eine Vorreiter- und Impulsrolle einnehmen können.

Die Krise der Parteien ist die Chance der Bewegung. Dies muß genützt werden. Der soziale Druck wächst und die Folgen der Globalisierung bilden neue Bewegungen. Wenn es ihr gelingt, sich in den Kontext mit diesen neuen Bewegungen zu stellen und den Alltag der Menschen mit ihrem Anliegen zu verbinden, so hat sie große Chancen, die Bevölkerung zu repräsentieren und zu einer starken und erfolgreichen Bewegung zu werden.

 

 

 

Ich wünsche allen Teilnehmenden einen konstruktiven und erfolgreichen Austausch

 

Thomas Krahe

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Studie "Frieden braucht Bewegung. Herausforderungen für die Friedensbewegung von heute. Eine empirische Untersuchung zum erfolgreichen und motivierten Wiederaufbau der Friedensbewegung" ist über obige Adresse erhältlich.