Südbalkan-Programm 

Erweiterung des Serbien-Teams um zwei Fachkräfte         

 Projektbezeichnung:                                                Südbalkan-Programm

 Land/Ort:                                                                        Jugoslawien-Belgrad

 Projektträger im Gastland: Verantwortung für die Zukunft

 Projektträger in Deutschland: Pax Christi Bistumsstelle Rottenburg-Stuttgart – Forum Ziviler Friedensdienst e.V.

 

Projektdauer:                                                     3 Jahre (zunächst

1.  Südbalkan-Programm

 Das Südbalkan-Programm wird durchgeführt vom Forum Ziviler Friedensdienst, Bonn in Kooperation mit mehreren Mitgliedsorganisationen. Ziel des Südbalkan-Programms ist es, durch den Einsatz von speziell ausgebildeten Friedensfachkräften in unterschiedlichen Konfliktphasen (Prävention, Konfliktintervention und –nachsorge) auf dem Balkan friedensfördernde Maßnahmen zu entwickeln und durchzuführen. Voraussetzung der Maßnahme ist die Zusammenarbeit mit einheimischen NRO, die in der Friedensarbeit aktiv sind. Eine Kooperation und Vernetzung mit nationalen und internationalen Organisationen wird  inhaltlich und organisatorisch angestrebt, da grenzüberschreitende Vernetzung von Information und Transparenz,  auch der Ziele und Aktivitäten, ein wichtiges Element für den interkulturellen Dialog- und Friedensprozess in den Balkanstaaten ist.

 Insgesamt werden bis Ende des Jahres 2000 8 Friedensfachkräfte im Südbalkan-Programm ihre Arbeit aufgenommen haben. In Kroatien arbeiten sie bereits seit  1997, in Bosnien und im Kosovo sind sie seit Anfang 2000 tätig. Seit Mai 2000 arbeitet eine Fachkraft in Bosnien Herzegowina, die Arbeitsaufnahme in Serbien steht unmittelbar bevor.

 Die Qualifizierung zur Friedensfachkraft wird wie bei den bereits in Kroatien, Bosnien und Herzegowina  sowie  Kosovo arbeitenden Fachkräften durch die Teilnahme am viermonatigen Ausbildungskurs der AG Qualifizierung garantiert. Falls es gelingt, Fachkräfte zu finden, die diesen Kurs bereits absolviert hat, werden die Kosten für Auswahl und Qualifizierung geringer als veranschlagt ausfallen. Die Entsendung der Fachkräfte soll über die AGEH in Köln erfolgen.

 2. Hintergrundinformationen

 Seit zehn Jahren ist Serbien in den kriegerischen Zerfall /Zerstörung Jugoslawiens verwickelt, der es wirtschaftlich, politisch und kulturell fast ruiniert hat. Darüber hinaus wird es von einem autoritären und korrupten Regime regiert. Dieses Regime ist inzwischen  innenpolitisch so militant, dass es gegen jeden Versuch der Demokratisierung mit allen Mitteln vorgeht.

 Die serbische Opposition ist zutiefst gespalten und die meisten ihrer Führer verstehen sich als Verwalter von Gruppeninteressen, mit denen sich die Mehrheit der BürgerInnen nicht identifizieren können. Dennoch haben die Programme der Oppositionsparteien einen gemeinsamen Nenner: viele streben ernsthaft den Aufbau der demokratischen Institutionen, der modernen Wirtschaft, des Rechtsstaates, eines neuen Wertsystems und einer friedensorientierten Zivilgesellschaft an.

 Die einflussreichsten oppositionellen Parteien sind auch bereit, nach Kooperationsmöglichkeiten zwischen den Ethnien in Serbien zu suchen, sich für Menschenrechte einzusetzen und über zivile Strukturen und Friedenskultur zu sprechen. In Serbien, wie auch in den anderen ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken, sind  NRO und BürgerInnenbewegungen als eine effektive Form des politischen Engagements unbekannt. Der Begriff der friedensorientierten Zivilgesellschaft ist im politischen Diskurs über die Zielrichtung der Gesellschaftsreform nichts als ein schöner Gemeinplatz, der mit keinem stringenten Inhalt besetzt ist. Viele politische Akteure sind einfach davon überzeugt, dass Serbien automatisch zu einer friedensorientierten Zivilgesellschaft wird, sobald es freie Marktwirtschaft und demokratische Institutionen einführt.

 Die Folge einer solchen Einstellung ist, dass das ganze Spektrum der NRO und BürgerInneninitiativen aus dem  politischen und öffentlichen Leben herausfällt.  Eine wirkliche Zivilgesellschaft gibt es nicht. So zeigen viele Umfragen, dass die grosse Mehrheit der BürgerInnen für eine grundlegende Veränderung des status quo ist, aber nicht weiss, wie sie dies bewerkstelligen könnte. Andere Umfragen zeigen, dass die meisten BürgerInnen an einer friedlichen Lösung der Konflikte interessiert sind.  Sie haben aber keine Erfahrung mit BürgerInneninitiativen, in denen sie Möglichkeiten der friedlichen Konfliktaustragung praktizieren könnten.

 Gerade jetzt, wo sich ein grundlegender politischer und gesellschaftlicher Umschwung anbahnt ist es besonders sinnvoll, mit Konzepten der konstruktiven Konfliktaustragung an Auf- bzw. Umbau der Zivilgesellschaft mitzuwirken.

 3. Erläuterungen zum örtlichen Kooperationspartner

 Die Bürgerinitiative „Verantwortung für die Zukunft“ wurde 1993 in Belgrad gegründet und offiziell registriert. Ihr Programm befasst sich mit der Zerstörung der Umwelt, der Abrüstung, den Friedensstrategien, der Versöhnung und der Verantwortung der BürgerInnen für die Zukunftsgestaltung.

 Ihre Mitglieder sind interessierte BürgerInnen. Die meisten von ihnen sind WissenschaftlerInnen, JuristInnen, KünstlerInnen, ÄrztInnen. Die Initiative ist seit der Gründung Mitglied des „Internationalen Netzwerkes der Ingenieure und NaturwissenschaflerInnen für den Frieden und Globale Verantwortung“ (INES) mit dem Sitz in Dortmund, das seinerseits Mitglied des forumZFD ist. Die Initiative ist im Rat von INES vertreten.

 Sie hat Städtepartnerschaften zwischen Städten in der Schweiz und in Serbien (besonders aber im Sandzak) angebahnt,  Initiativen zum Dialog zwischen Orthoxen Christen und Muslimen im Sandzak unterstützt und insgesamt drei „Friedenskarawanen“ nach Sandzak organisiert. Außerdem gibt es eine enge Zusammenarbeit mit der Initiative „Deutsch-kroatisch-serbisch-muslimischer Dialog“ aus München, die für ihre Aktionen bereits von der Stadt München ausgezeichnet wurde. Im Mittelpunkt der Aktivitäten steht das Eintreten für gewaltfreie und kreative Bearbeitung von Konflikten und der Dialog zwischen den verschiedenen Ethnien und Religionen des Vielvölkerstaates.

 4. Ziel des Projektes

 Zentrales Ziel ist es, die BürgerInnen dabei zu unterstützen, sich aktiv am Prozess demokratischer Veränderungen und des Aufbaus der Zivilgesellschaft zu beteiligen.

Die erwähnten Teams sind gegenwärtig dabei, der serbischen Gesellschaft über unabhängige Medien ihre Projekte vorzustellen. Sie sind wichtige Multiplikatoren. Deshalb ist es dringend, ihnen die Ideen von Zivilgesellschaft und Konfliktaustragung gerade jetzt nahezubringen. Wenn diese Ideen zum öffentlichen Gut werden sollen, dürfen sie nicht als zufälliger Anhang  oder Nachtrag behandelt werden.

 Erste Zielgruppe sind daher die kritischen unabhängigen ExpertInnenn, die im Bereich der demokratisch orientierten Parteien tätig sind. Sie können die Ideen der Zivilgesellschaft schneller an die politischen AkteurInnen und an die Öffentlichkeit  bringen. Zum Beispiel können die unabhängigen ExpertInnen unmittelbar in die Programmausschüsse der demokratischen Parteien hineinwirken. Das so vermittelte Wissen ermöglicht es Politkern, die Idee der Zivilgesellschaft mit Überzeugung zu vertreten und damit weitere Kreise der BürgerInnen anzusprechen.

 Die zweite Zielgruppe sind unabhängige JournalistInnen, die sich für die Reform der serbischen Gesellschaft einsetzen und die gesellschaftlichen Prozesse kritisch begleiten.  Sie könnten das Konzept der Zivilgesellschaft in ihr Weltbild integrieren, es in bürgernaher Form darstellen und immer wieder darüber berichten. Der "Verband der unabhängigen JournalistInnen (IJAS)" hat sich bereit erklärt, das Thema Friedenskultur und Zivilgesellschaft prinzipiell zu verfolgen und sein in Belgrad bekanntes und sehr geschätztes "Media-Pressezentrum" für Diskussionen und Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen.

 Die dritte Zielgruppe des Projektes sind politisch aktive StudentInnen- und Jugendgruppen. Sie verfügen jedoch noch nicht über die Erkenntnisse, das Bewusstsein, die Instrumente der Friedensarbeit, der gewaltfreien Kommunikation und der Vernetzung der Basisgruppen, die ein wesentlicher Teil der Friedenskultur sind.

 Natürlich sind die entscheidende Zielgruppe die interessierten BürgerInnen selbst, die im Zentrum der Zivilgesellschaft stehen. Ihnen fehlt nicht nur das Selbstvertrauen, sondern auch häufig das Wissen um Formen und Methoden eines konstruktiven politischen Engagements.

 5. Geplante Massnahmen

 -         Kontaktaufnahme mit nationalen NRO, den wichtigsten Bürgerinitiativen, den Vertretungen von internationalen NRO und RO, u.a. UN, EU, OSZE, mit VertreterInnen des Stabilitätspaktes und Präsentation des Projektes. Institutionenanalyse und Auswahl der Kooperations-Partnerorganisationen in Serbien. Bekanntmachen der geplanten Maßnahmen auch in der Öffentlichkeit. (I Phase)

 -         Organisation von Vorträgen internationaler FriedensforscherInnen und TheoretikerInnen für die ExpertInnenteams, PolitikerInnen und JournalistInnen vor Ort. Durchführung von Tagungen, "Runden Tischen" und Podiumsdiskussionen sowie von praxisorientierten Seminaren u.a. zu folgenden Themen: Zivilgesellschaft,  Menschenrechte, NRO in der Zivilgesellschaft, geistige Grundlagen der Friedenskultur, gewaltfreien Kommunikation, Zivilcourage, Versöhnungsarbeit. (II Phase)

 -         Auswahl weiterer Zielgruppen wie PädagogInnen, PsychologInnen, JournalistInnen, Frauengruppen, Geistliche aller Konfessionen. Organisation der Workshops und Trainings für ggf. auch für Jugendliche und Studenten.  (III Phase)

 6. Friedenspolitische Einordnung

 Auch ein demokratisches Serbien nach Milosevic wird die Integration der Ideen der Zivilgesellschaft und der Friedenskultur in  das politische, gesellschaftliche und kulturelle Lebens dringend brauchen. Das Projekt der Zivilgesellschaft und der friedlichen Konfliktaustragung stellt die BürgerInnen ins Zentrum des politischen Lebens. Es soll gerade ihnen helfen, ihre Interessen zu erkennen und sie im politischen Raum frei zu artikulieren, ohne dabei Interessen anderer zu übersehen, zu ignorieren, abzuwerten oder ihnen mit Gewalt zu begegnen.

 Die politische Kultur in Jugoslawien kennt die Kunst der gewaltfreien Konfliktaustragung bislang kaum. Konflikte werden sofort als Feindschaften wahrgenommen, die Misstrauen, Ängste und Feindlichkeit verfestigen. Ein Projekt, das den BürgerInnen die Ideen der Zivilgesellschft nahebringt, hilft, Formen eigenen Engagements zu finden und BürgerInnen zu wesentlichen AkteurInnen des politischen Handelns werden zu lassen. Das Projekt soll einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung der BürgerInnenkultur leisten.

 7. Vorbereitung, Qualifikation, Personalbedarf

 Bis Mitte 2001 werden bereits zwei ausgebildete Fachkräfte im Rahmen des Südbalkan-Programms in Belgrad tätig sein, mit dem Schwerpunkt Trauerarbeit, Traumaarbeit, Menschenrechte.

Die Erfahrungen und Kenntnisse dieser Fachkräfte können in das vorgesehene Ausbildungs- und Trainingsprojekt durch Vorträge, Seminare und Workshops hervorragend integriert werden. Das Team mit jeweils unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten der einzelnen Teammitglieder soll sich gegenseitig ergänzen und unterstützen

 Anlage: Kostenplan

Bonn, den 29.09.00