Die Friedensarbeit von Branka Jovanovic
Unterstützt von der Regionalgruppe Münsterland
„Förderung des Zivilen Friedensdienstes“
Überblick:
Branka Jovanovic arbeitet seit Juli 2000 als
Friedensfachkraft für das forumZFD in Belgrad.
Sie ist selbst Serbin und möchte durch ihre Arbeit Impulse
für die zivilgesellschaftliche Entwicklung in der Republik Serbien setzten.
Friedensfachkraft
Branka Jovanovic
Zur Zeit bemüht sie sich um den Aufbau eines
NGO‑Zentrums in Bujanovac (Südserbien). Unter dem Titel "Nachbarn für
den Frieden" soll dieses serbischen, albanischen und Roma‑NG0s die Möglichkeit
bieten, unter einem Dach zu arbeiten und in einen offenen Dialog zu treten. Auf
diese Weise will man nicht nur die Koordination zwischen den NG0s in Südserbien
verbessern, sondern auch den Bürgerinnen und Bürgern vor Augen führen, dass
ein interethnischer Dialog möglich ist.
Durch das Projekt soll zudem das Vertrauen der Bevölkerung
in die Arbeit der NG0s wieder gestärkt werden. Die große Zahl von
Organisationen in der Republik Serbien und die Tatsache, dass die serbische
Regierung einige von ihnen zur Durchsetzung ihrer politischen Interessen
missbraucht, haben zu einer Konfusion und einem zunehmenden Misstrauen der Bevölkerung
in die NGO‑Arbeit geführt. Mit Hilfe des Zentrum möchte man den Bürgerinnen
und Bürgern deshalb den NGO‑Bereich näher bringen und ihr Vertrauen zurückgewinnen.
Ein Großteil der Arbeit von Branka Jovanovic besteht aber
auch in der Vermittlung zwischen internationalen Organisationen wie dem UNDP und
lokalen Selbsthilfegruppen, die für ihre Projekte finanzielle Mittel und know
how benötigen.
Sie hilft ferner beim Aufbau von lokalen Friedensgruppen,
organisiert Kurse zur politischen Bildung und setzt sich für die Realisierung
von Umweltprojekten ein.
Brankas
Bericht vor der VHS Coesfeld:
In den drei Zielorten für Brankas Arbeit Presovo,
Bujanovac und Medvedja im Süden Serbiens an der Grenze zum Kosovo und zu
Mazedonien leben überwiegend Albaner: Presovo 90 %, Bujanovac 60 %, Medvedja 30
%. Diese „Mischung“ war lange kein Problem, wenn auch nicht konfliktfrei.
Erst mit dem Nato-Krieg gegen Jugoslawien wurde der Druck auf die Albaner von
der serbischen Polizei enorm erhöht. Gewalt bis hin zu Mord tauchte auf. Als
Reaktion griffen albanische Bewaffnete die serbische Polizei an. Krieg drohte
gar. Diese Spannungen hatten auf das Zusammenleben der Menschen einen großen
Einfluss: Nachbarn verschiedener Ethnien redeten nicht mehr miteinander. Besuche
– sonst an der Tagesordnung – fanden, wenn überhaupt, nur noch nachts
statt.
Hier setzte die Arbeit von Branka an, nachdem sie in
Belgrad ein Büro eröffnet hatte. Von dort aus reiste sie in die Region Presovo.
Ihr Ansatz: zunächst einmal mit den Menschen Kontakt aufnehmen und gucken, was
ihre Interessen sind, was ihnen fehlt, für was sie sich selbst engagieren
werden. Aus diesem – situationsbezogenen – Ansatz entstanden dann mehrere
Projekte:
Das
erste Projekt:
Brankas Überlegung: Die Menschen treffen sich auf dem
Marktplatz und handeln dort. Der Marktplatz in Bujanovac befindet sich jedoch in
einen denkbar schlechten Zustand. Ihr erstes Projekt sollte also die
Verbesserung dieses Marktplatzes sein. Zusammen mit den Bürgern vor Ort sollte
dies geschehen. Branka sprach viele Organisationen auch in Deutschland an. Diese
reagierte jedoch nicht. Erst vor kurzem bewilligte das Auswärtige Amt in Berlin
35.000 DM. Jetzt kann mit diesem Projekt begonnen werden.
Das
zweite Projekt:
ein gemeinsames Zentrum für NGOs, die in der Region tätig
sind. Dieses wird nun von der OSZE unterstützt. Seminare wie „Teambildung“
und „Verbesserung von Kommunikation“ sollen dort abgehalten werden.
Das
dritte Projekt:
ein Bürgerzentrum. In diesem können sich alle Nachbarn
treffen um gemeinsame Aktivitäten durchzuführen. Branka sprach Albaner und
Serben an. Diese trafen sich im Zentrum und gründeten „Nachbarn für den
Frieden“. Zunächst führte Branka ein Seminar für Jugendliche durch: „Was
gefällt uns an unserer Stadt nicht?“
Junge Serben und
Albaner beim gemeinsamen Seminar
Verschiedene Methoden setzte sie ein, so dass dieses
Seminar nicht zu kopflastig wird, so z.B. ein serbisch-albanisches Kreuzworträtsel:
Aus diesem workshop entstand auch das nächste
Projekt:
Das
vierte Projekt:
Basketball. Serben, Albaner und Roma bildeten eine
Mannschaft und spielten gegen die europäische Beobachter. Über 500 Zuschauer
(Serben und Albaner) verfolgten das Spiel. Weitere Aussichten: es soll eine
gemischte Basketball-Schule eingerichtet werden.
Serben, Albaner
und Roma in einer gemeinsame Mannschaft
Das
fünfte Projekt:
Gemeinsam produzieren in einem Lokalrundfunksender ein
Albaner und ein Serbe ein Radioprogramm. Drei Stunden senden diese nun am Tag.
Wurden durch die
gemeinsame Arbeit Freunde: ein Albaner und ein Serbe
Das
sechste Projekt:
eine Gesundheitswerkstatt für Frauen. Frauen aus der
Nachbarschaft treffen sich, um sich über gesundheitliche Probleme aufklären zu
lassen und gemeinsam an einer Verbesserung der gesundheitlichen Situation zu
arbeiten. Die Frauen wollen eine feste Friedensinitiative gründen: „Soziale
Nachbarn für den Frieden“:
Daraus entstanden ist schon ein Nähkurs, der nun Kleider
selbst näht, für eine Einnahmequelle sorgt und vor allem der multiethnischen
Gemeinschaft dient.
Professionelle
Unterstützung und Hilfe wird gerne in Anspruch genommen.
Vier Kräfte arbeiten nun in der Gesundheitswerkstatt: eine
albanische Ärztin, eine albanische Psychologin, eine serbische Ärztin und eine
Koordinatorin. Alle müssten – um weiterarbeiten zu können – monatlich etwa
250 DM Gehalt bekommen, zusammen also 1000 DM. Wie kann man dieses Geld
auftreiben. Sicher eine Aufgabe der Regionalgruppe!
Weitere Projekte sind in Vorbereitung: Englischkurse,
PC-Kurse ... Der Bedarf, bei
Albaner und bei Serben, ist groß – vor allem bei jungen. Und im Vordergrund
steht das gemeinsame Tun.
Brankas Traum wurde nun auch verwirklicht:
Das sechste Projekt: Das Auswärtige Amt finanzierte nun
mit 160.000 DM einen Minibus, ausgestattet mit Computern. Ab dem 1. 11. 2001
kann nun der Bus durch die Dörfer fahren und Kurse anbieten und gleichzeitig
als Vernetzungsinstrument dienen.
Im neuen Jahr 2002 will Branka – nach einem Jahr der
Vernetzungsarbeit, nach einem Jahr der gemeinsamen Arbeit mit den Bürgern vor
Ort an alltäglichen Aufgaben – mit dem Diskussionsprozess beginnen: Was gibt
es eigentlich für Unterschiede zwischen Serben und Albanern? Wie kann man die
Probleme lösen? Wie bekommt man einen gemeinsamen Demokratisierungsprozess hin
– nach Milosevic. Die Albaner waren unterdrückt während des
Milosevic-Regimes, aber auch die Mehrheit der Serben. Nun heißt es, gemeinsam
zu lernen, gemeinsam für neue Freiheiten zu kämpfen. Eine Alternative gibt es
nicht.
Das Programm von Branka umfasst zur Zeit ca. 500 Menschen.
Das Projekt ist für zwei Jahre konzipiert. Ein Jahr ist
um. Ein weiteres Jahr ist gesichert. Was dann kommt, der Himmel weiß es.
Die
Unterstützung aus dem Münsterland
Mitglieder der Regionalkonferenz
Münsterland „Friedensgruppen werben für den Zivilen Friedensdienst“
besprachen mit Branca Jovanovic, wie in der nächsten Zeit eine Unterstützung
aussehen könnte. Da sie glücklicherweise von internationaler (vor allem auch
durch Deutschland) Seite inzwischen einiges an finanzieller Unterstützung für
ihre Projekte erhält, kommt es in dem Bereich nur noch darauf an, kleinere
momentane Lücken zu schließen. Viel wichtiger wurde es von Branca angesehen,
dass die Menschen vor Ort darum wissen, dass sich Menschen im Ausland für ihre
Lebenssituation interessieren und darum wissen. Denn diese internationale
Anteilnahme gibt den Menschen dort einen gewissen Schutz. Deshalb wurde überlegt,
dass gegenseitige Besuche sicherlich zur Entspannung beitragen können. Als mögliches
Projekt wurde ins Auge gefasst, dass eine Gruppe aus dem Münsterland im Frühjahr
nach Bujanovac reisen könnte, um dort mit den Bürgern vor Ort den Marktplatz
zu verbessern. Vom Auswärtigen Amt ist für diese Verbesserung schon Geld
bewilligt worden. (das erste Projekt)
Abschließende Bemerkung:
Die Geschichte dieser Friedensfachkraft Branka Ivanovic zeigt, wie mit relativ einfachen Mitteln und wie mit relativ geringem – auch finanziellen – Aufwand eine wirkungsvolle Friedensarbeit gemacht werden kann. „Relativ“ heißt in diesem Zusammenhang im Vergleich zu den unendlichen Ressourcen, die für militärische „Friedens- und Konfliktlösung“ aufgewandt wird. Wenn man sieht, wie wenig insgesamt für diese Arbeit von ziviler Friedensarbeit zur Verfügung gestellt wird und wie z.B. nach den Terroranschlägen in den USA ein unendlich riesiger Aufmarsch rund um Afghanistan durchgeführt wird (milliardenschwer!), muss man nur noch beschämt sein. Dies ist keine zukunftsorientierte Politik – wie wir sie uns von Rot-Grün mal vorgestellt haben.
Bericht: Robert Hülsbusch und Michael Keimburg,
Nottuln/Coesfeld, 28.9.2001