Rede zum Osterfriedensgang 2003

von Veronika Hüning, Pax Christi

 

 

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde!

 

Als Mitglied der christlichen Friedensbewegung stehe ich hier mit banger Hoffnung.

 

Noch lassen mich die Bilder und Nachrichten der letzten Wochen nicht los:

-         die massiven Bombardierungen,

-         die Angriffe irakischer Soldaten in Zivil und aus dem Hinterhalt,

-         der Zusammenbruch der Versorgung und medizinischen Nothilfe,

-         die Propagandaschlachten beider Seiten,

-         das Chaos der Plünderungen und der persönlichen Abrechnungen,

-         zuletzt die Demonstrationen gegen die Präsenz der USA im Irak,

-         die späten Opfer von Splitterbomben,

-         die in El Paso bejubelten Heimkehrer aus irakischer Kriegsgefangenschaft.

 

Wir wissen, dass so manches von der brutalen Wirklichkeit des Krieges noch unsichtbar ist und womöglich für immer unaufgedeckt bleiben wird.

 

Große Sorgen machen wir uns um die Rivalitätskämpfe und politischen Verwerfungen, die noch folgen könnten. Wie wird der Machtkampf um die Führungsrolle beim Wiederaufbau des Irak entschieden werden? Was wird die NATO tun? Und wer wird die Verantwortung für die weitere Suche nach Massenvernichtungswaffen übernehmen?

 

Doch wir sind nicht ohne Hoffnung:

Es gibt tatsächlich eine gewisse Chance zu einem demokratischen Neuanfang nach dem von außen und blutig herbeigeführten Zusammenbruch der Hussein-Diktatur. Er hätte – um Gottes und der Menschen Willen – früher und anders herbeigeführt werden müssen! Aber die Chance zu einem Neuanfang könnte genutzt werden.

Und: Wir dürfen stolz und froh sein, denn die Friedensbewegung ist erstarkt und sehr präsent! Zum ersten Mal in der Geschichte haben wir einen weltweiten Aufstand VOR einem Krieg erlebt. Die Stellungnahmen der Kirchen waren selten so klar und einhellig.

 

An diesem Wochenende gedenken die ChristInnen der Auferstehung Jesu. Sein Weg der Gewaltfreiheit wird leider oft mit kleinmütiger Passivität verwechselt. Doch Jesus hat vor allem gezeigt, was mutiger moralischer Widerstand im Angesicht der Mächtigen bedeutet. Von seinem Friedensauftrag sehen sich die ökumenischen Friedensgruppen auch heute und hier herausgefordert.

 

Deshalb wird die christliche Friedensbewegung wachsam und widerständig bleiben:

 

-         weil wir damit rechnen müssen, dass in der nächsten Zeit die Grausamkeiten des Krieges verschleiert und die Motive der Kriegsparteien weiter zurechtgebogen werden;

-         weil wir Siegesposen und Siegeserklärungen und einer Befreiungsrhetorik ausgesetzt werden, die uns Völkerrechtsbruch und hegemoniale Überheblichkeit vergessen machen wollen;

-         weil wir ganz besonders die religiöse Verbrämung jedes Krieges scharf zurückweisen müssen.

 

Dieser Krieg lässt sich nicht mit dem schnellen Sieg rechtfertigen und darf auch nicht nachträglich legitimiert werden.

Wir sagen Nein zu einem US-Empire, zu Militärstützpunkten im Irak, zur Vorbereitung der wirtschaftlichen Ausbeutung der Schätze des Landes.

 

Schon gar nicht nehmen wir die Blasphemie hin, George W. Bush und seine Soldaten hätten dem irakischen Volk das „Geschenk Gottes an die Menschheit“ gebracht!

 

Die Vereinten Nationen müssen sofort das Heft des Handelns zurückbekommen und behalten. Sie mutwillig zu einer irrelevanten Größe zu erklären ist unannehmbar!

Der Angriffskrieg muss verurteilt und alle Kriegsverbrecher müssen angeklagt und bestraft werden.

Die Erleichterung über das Ende der Despotie Saddam Husseins ist vollauf berechtigt. Aber sie darf uns nicht über den umfassenden Schaden hinweg täuschen, den der sog. Präventivkrieg angerichtet hat und immer noch anrichtet, humanitär und politisch.

  

Es ist unsere Aufgabe, den Einspruch gegen den Krieg als Mittel der Politik aufrecht zu erhalten, ja – zu verschärfen. Es ist unsere Verpflichtung, die Alternativen einzuklagen und mit zu entwickeln, für eine weltweite Abrüstung, vernünftige Terrorbekämpfung, Selbstbestimmung aller Völker sowie die Stärkung und Reform der UNO.

 

Unsere Kriegs- und Rüstungskritik muss in konkrete Forderungen einmünden und die Haushaltsdebatten unserer Regierung erreichen.

Wir müssen unseren Protest gegen eine Bundeswehr als Interventionsarmee verstärken und unseren Widerstand gegen eine Aufrüstung der EU.

Wir plädieren für eine Zivilmacht Europa!

Unsere kritischen Fragen werden auch nicht vor den Grauzonen Halt machen, in die das deutsche Nein zum Krieg hineinmanövriert wurde, mit Berufung auf die NATO-Verpflichtungen.

 

Wir werden mit noch größerem Nachdruck für Frieden zwischen Israel und Palästina eintreten, für einen umfassenden Dialogprozess im Nahen und Mittleren Osten und die Schaffung einer ABC-Waffen-freien Zone dort – und später weltweit.

 

Wir werden uns an internationalen Partnerschaften für den Frieden beteiligen, gerade auch im Bündnis mit der US-amerikanischen Friedensbewegung. Antiamerikanismus?

Wir sagen:

Freundschaften in Amerika – Ja; Pax Americana für die islamische Welt oder weltumspannend – Nein!

 

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde!

Aus einer Mischung von Sicherheitsangst nach dem 11. September und einem gefährlichen Sendungsbewusstsein heraus hat die Regierung der USA eine Dekade des Krieges heraufbeschworen. Die „zweite Weltmacht“ (New York Times), nämlich die öffentliche Meinung muss nun die Dekade zur Überwindung von Gewalt voran treiben und gegen die militärische Bedrohung weiterer Staaten eintreten.

 

Wir kämpfen

-         für weltweite Abrüstung für den Frieden,

-         für vertrauensbildende Maßnahmen, Dialog und Kooperation zwischen den Kulturen und Religionen,

-         für Recht und Gerechtigkeit statt der Willkür des Stärkeren,

-         für ernsthafte, konstruktive Arbeit an der gemeinschaftlichen Überwindung der größten Probleme der Welt: Armut und Unterdrückung.

 

Liebe Friedensfreundinnen und –freunde!

Derzeit befindet sich eine ‚Kooperation für den Frieden’ zwischen verschiedenen  Friedensorganisationen im Aufbau; sie hat erklärt:

Dieser inhumane Krieg, der auch zur Sicherung wirtschaftlicher Interessen und strategisch-militärischer Vorherrschaft geführt wurde – er muss der letzte seiner Art sein!

Im Namen der Opfer dieses Krieges und auch der vielen anderen Kriege derzeit dürfen wir nicht nachlassen, uns Geist, Logik und Praxis des Krieges zu widersetzen.

 

Gerechtigkeit und Frieden sind das Ziel – sie müssen auch den WEG bestimmen!

Für die Kirche gibt es jedenfalls keine Alternative zum Programm der Kriegsächtung und eines Gerechten Friedens.

 

Die Zukunft gehört den Friedfertigen!