Die Ärmsten der Welt trifft die Klimakatastrophe an härtesten

 

UN-Experten warnen im neuen Bericht vor krassen Trinkwassermangel, neuen Epidemien, Ernteausfällen und Artensterben

Die Klimaerwärmung hat nach Erkenntnissen führender Experten verheerende Folgen für die Menschheit. Wegen des steigenden Meeresspiegels sind Millionen Menschen in Küstenregionen in Gefahr. Krankheiten durch verseuchtes Trinkwasser breiten sich aus, Ernten sind bedroht und Tier‑ und Pflanzenarten sterben aus. Betroffen sind vor allem die ärmsten Länder.

 

GENF, 19. Februar (dpa/epd/rtr). Dies ist das Fazit eines Berichts über die Folgen der globalen Klimaerwärmung, der am Montag in Genf vorgelegt wurde. An der Prognose im Auftrag der UN hatten 900 Wissenschaftler mitgewirkt.

Arme Länder und die Ärmsten in allen Ländern sind am meisten betroffen", resümierte Robert Watson, Vorsitzender des zwischenstaatlichen Gremiums für Klimaveränderung" (IPCC). So genannte Entwicklungsländer könnten wegen ihrer schwachen Wirtschaft und ihrer Lage die dramatischen Folgen der Klimaänderung ‑ auch den Verlust von Leben" ‑ viel weniger als Industrieländer meistern.

 

Lediglich in nördlichen Breitengraden könne sich die Klimaerwärmung vorübergehend positiv auswirken, so der Bericht. In Nordeuropa könnten die Ernten besser werden und die Heizkosten sinken. Aber auch in Europa überwiegen die negativen Folgen: Die Hälfte der Gletscher könne schmelzen, mit bis zu 95‑prozentiger Sicherheit träten mehr Flüsse öfter über die Ufer, in Südeuropa gebe es mehr Dürren. Heißere Temperaturen bereiteten auch im Norden den Boden für neue Epidemien, so die Forscher. Krankheiten wie Malaria oder das West‑Nil‑Fieber aus Afrika könnten in die Industrieländer vordringen.

 

„Die meisten Menschen werden auf der Verliererseite stehen", resümierte Jim McCarthy vom IPCC. Wenn nicht mehr Geld für Trinkwasser verlangt werde, könne Verschwendung die Wasserressourcen weiter als nötig verknappen, ergänzte Watson. In Gefahr sind Gletscher, Korallenriffe, Inselstaaten, Mangroven, Nadel‑ und tropische Wälder sowie alpine Ökosysteme, Feuchtgebiete und Steppen. 1,7 Milliarden Menschen leben bereits in Regionen, in denen Trinkwasser knapp ist. Diese Zahl könne binnen 25 Jahren auf fünf Milliarden steigen, so der Report. Wenn der Meeresspiegel in den nächsten 80 Jahren um 40 Zentimeter steigt, würden bis zu 200 Millionen mehr Menschen als heute von Küstenstürmen bedroht.

 

Der Bericht ist der zweite Teil eines umfassenden IPCC‑Klimareports. Im ersten Teil dokumentierten Forscher im Januar in Schanghai, dass sich das Weltklima viel dramatischer erwärmt als bisher angenommen. Viele der Veränderungen, die die Wissenschaftler bei steigender Erwärmung erwarten, sind dem neuesten Bericht zufolge schon sichtbar. Das arktische Eis ist um 10 bis 15 Prozent zurückgegangen, die Eisdecke auf Flüssen und Seen schmelze zwei Wochen früher als vor 150 Jahren. In Europa blühten Pflanzen 1993 im Schnitt 10,8 Tage länger als 35 Jahre zuvor. Vögel ziehen später im Jahr in wärmere Gefilde und kehrten früher zurück.

 

Wetterkatastrophen haben in den 90er Jahren Schäden von 40 Milliarden Dollar jährlich verursacht, im Vergleich zu 3,9 Milliarden Mark in den 50er Jahren. "Wir müssen uns über die weit reichenden Veränderungen, die unsere Industriewirtschaft in Bewegung gesetzt hat, klar werden", sagte der Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms, Ex‑Bundesumweltminister Klaus Töpfer. Der Präsident der Klimakonferenz, Jan Pronk, sieht durch die Studie die Notwendigkeit bestätigt, beim nächsten Treffen der Konferenzteilnehmer im Sommer zu klaren Resultaten zu kommen. Die Konferenz war im November ohne Einigung über den geringeren Ausstoß von Treibhausgasen vertagt worden.