Herbst 2005:

„Es muss sich in den Köpfen etwas ändern“

Lothan Raz, israelischer Kriegsdienstverweigerer und Friedensaktivist war zum dritten Mal Gast der Friedensinitiative Nottuln
 

von Brigitte Balmer-Landwehr


Nur ein kleiner Kreis von Interessierten findet sich am Montagabend (24.10 ) in der Alten Amtmannei ein, um von Lothan Raz Neues aus Israel und Palästina zu hören. Doch der junge Mann mit dem offenen Lächeln nutzt den Halbkreis gleich, um seine Stärke auszuspielen: Beziehung(en) zu schaffen. Er freue sich, wieder hier im Münsterland, in diesen schönen Räumen zu sein, sagt er und bittet seine Zuhörer, ihm ihre Namen zu nennen und was ihnen hier, in „ihrem“ Münsterland gefalle...
Dann beginnt Raz, immer wieder mit Begebenheiten aus dem Alltag, die heutige Situation in seinem Land zu schildern. Er glaubt nicht, dass sich etwas positiv verändert hat seit dem Abzug der Siedler aus Gaza. Der Rückzugsplan würde eher dem Ansehen der Regierung (Sharon als „Friedensbringer“) nützen als der Bevölkerung. Die Mauer der Apartheid wird weiter gebaut, ein Klima der Einschüchterung, Angst und Resignation würde in der Gesamtbevölkerung geschürt durch die Allgegenwart der Sicherheitsleute, betont Raz. „Der Schein eines demokratischen Staates wird aufrechterhalten“, so der Friedensaktivist, „während die Schikane gegenüber den Palästinensern weitergeht und immer neue Gesetze auch die israelischen Bevölkerung zunehmend einschränken“. Demonstranten gegen die Mauer würden immer härter bekämpft durch das Militär, Festgenommene bis zu 72 Stunden ohne Gerichtsurteil inhaftiert. Die Arbeitslosigkeit würde unterdessen steigen, bis zu 70 % derzeit in der palästinensischen Bevölkerung. Als Israeli würde man am leichtesten einen Job als „Sicherheitsperson“ erhalten, z.B. in einem Supermarkt, einzig das „Sicherheitsgewerbe“ würde boomen..
Was gibt ihm, dem Friedensaktivisten mit abgeschlossenem Geschichtsstudium, Hoffnung angesichts dieser Zustände? Lothan Raz, der vor sechs Jahren den Kriegsdienst verweigert hat und dafür zwei Monate im Gefängnis
saß, erzählt, dass es damals 62 Verweigerer (Frauen und Männer) gab, heute wären es bereits mehrere hundert. „Und es werden mehr, trotz allem, was man sie lebenslang über die Bedrohung der Juden gelehrt hat“, ist er sich sicher.
Mit seinem neuen Projekt, das er mit seiner Freundin beginnt, will Lothan durch öffentliche Veranstaltungen die Diskussion anregen: zwischen israelischen Juden und israelischen Arabern, zwischen Israelis und Palästinensern, zwischen Israelis unterschiedlicher Auffassungen, mit dem Zweck ein Netzwerk von Beziehungen zu schaffen. Er hofft auf ein „Schneeball-System“, das immer mehr Menschen erreicht. Nur durch Beziehungen sind Feindbilder abzubauen, kann der Glaube an ein Miteinander, an Frieden wachsen. „Es muss sich in den Köpfen der Menschen etwas ändern.“, glaubt er...
Roger Reinhard von der FI, der selbst letztes Jahr drei Monate als Friedensarbeiter für Pax Christi in Palästina war, überreicht Lothan Raz zwei bunte PACE-Fahnen, eine hebräisch, eine arabisch beschriftet... Die engagierte Übersetzerin Alexandra Förster erhielt ein Buch zum Thema.