„Jetzt sind wir hier.

Was jetzt geschieht, geschieht durch uns!“

Anna Seghers

Vorwort zum Buch:

Hermann J. Mürmann: "Von der Respektlosigkeit über den Terror zur Liebe!"

Am 13. September 2001 – zwei Tage nach dem verheerenden Terroranschlag von New York und Washington – erklärte der Dalai Lama in CNN der verwirrten Interviewpartnerin: „This is a big chance for non-violence, a big chance.“ Was er damit meinte ist so einfach wie einleuchtend: Dieses Attentat muss endlich zu einer Wende führen.  Dieses Attentat muss endlich den Weg  freimachen für ein neues Bewusstsein: Wir leben in Einer Welt, in einer Welt, die nicht länger einteilt sein darf in arm und reich, in gut und böse, in schwarz und weiß, in du und ich. Zukunft hat nur eine Welt, die allen Menschen ein menschenwürdiges Leben in Frieden und Freiheit ermöglicht.

Die Welt ist längst ein globales Dorf geworden. Hermann Mürmann geht in diesem Buch über diesen Ansatz hinaus: Die Welt ist eine Familie. Alle Menschen sind Mitglieder dieser Familie, Schwestern und Brüder. Und selbstverständlich funktioniert auch diese Welt – wie die Familie -  nur, wenn unsere Fürsorge allen Familienmitgliedern gilt, wenn jeder mit Liebe und Achtung sich selbst und den anderen begegnet. Das gilt auch für „Täter“. Das gilt auch für rechtsradikale, jugendliche Schläger. Das gilt auch für Terroristen und Terrororganisationen. Auf der Trauerfeier am 3.5.2002 in Erfurt, wo wenige Tage zuvor ein Schüler Amok lief und 16 Menschen und danach sich selbst erschoss,  brachte Bundespräsident Rau es in seiner Rede auf den Punkt: „Was immer ein Mensch getan hat: er bleibt ein Mensch.“ Jeder Mensch sei wertvoll durch das, was er ist, und nicht durch das, was er kann oder tut. Nicht die Abspaltung, erst recht nicht die Eliminierung gewalttätiger gesellschaftlicher Elemente bringt Frieden. Es geht um Integration. Was wir brauchen, sind  keine neuen Feindbilder, sondern Freundbilder, die Wege zur Entfeindung ermöglichen – ein Appell, der auch – selbstkritisch - an die Friedensbewegung zu richten ist.

Wie soll eine Realisierung dieses Bildes der Einen Familie nun möglich sein? Ist sie überhaupt denkbar? In diesem Buch werden dafür Perspektiven aufgezeichnet. Auf der Basis seiner langjährigen Erfahrungen als Therapeut, auch als Familientherapeut beschreibt der Autor schonungslos verhängnisvolle Entwicklungen der Menschen im Umgang mit sich selbst und mit anderen und deckt dabei die dahinterliegenden Konfliktstrukturen auf. Deutlich wird, dass zum Beispiel Terror nicht nur „Al Quaida“ ist, sondern auch Kindesmissbrauch, Sextourismus, Kinderarbeit, Verseuchung der Böden und der Luft und vieles mehr. Unser eigenes Verhalten, das Verhalten eines jeden einzelnen steht auf dem Prüfstand. Und dies ist oft, zu oft von großer Respektlosigkeit gezeichnet - Respektlosigkeit gegenüber anderen Menschen, gegenüber Tieren, gegenüber der Umwelt und letztlich gegenüber sich selbst. Nur wer sich selbst mit Respekt und Liebe begegnet, ist in der Lage auch seine Umwelt zu respektieren und zu lieben, ist friedensfähig. Der Weg zum großen Frieden führt über die Entdeckung des inneren Friedens, über den Kontakt eines jeden Menschen mit seiner eigenen Göttlichkeit.

Wer dieses Buch liest macht sich auf den Weg dorthin. Der Autor begibt sich in einen tiefen und intensiven Dialog mit der Leserin und mit dem Leser. Fast wird das Lesen dieses Buches zu einer Meditation – eingebunden sind viele anregende, manchmal ungewöhnliche Experimente. Begeben Sie sich auf eine Reise – eine Reise durch die Kapitel dieses Buches! Es ist eine Reise durch die Kapitel des Lebens. Es ist auch eine Reise zu sich selbst. Keineswegs wird damit einem oberflächlichen Ego-Zentrismus das Wort geredet. Auch nicht einer abgehobenen Spiritualität, die gesellschaftliche Realität nicht mehr wahrnimmt und nicht mehr erreicht. „Wer sich selbst entwickelt tut Gutes“ heißt eine buddhistische Weisheit. „Dienst an sich selbst ist Dienst an der Welt,“ nennt Hermann Mürmann dies. Wahre Spiritualität zeigt sich im Alltag. Das vorliegende Buch hat diesen Ansatz umgesetzt, zeigt neue Wege für einen friedvollen und liebevollen Alltag auf. Und so ist dieses Buch auch ein engagierter und gesellschaftskritischer Appell. Es geht um eine menschliche Entwicklung, um eine menschliche Gesellschaft. Dieses Buch rüttelt wach. Es ist ein zutiefst politisches Buch. 

Jeder hat die Chance, sich dafür zu entschließen, an der Verwirklichung des Friedens, an der Entwicklung von Gerechtigkeit und an der Bewahrung der Schöpfung teilzunehmen. Der Ausstieg aus der Spirale der Gewalt und der Respektlosigkeit ist notwendig. Er führt – wie der Titel dieses Buches impliziert – über die Liebe und zur Liebe. Fangen wir heute damit an! Knüpfen wir ein Netzwerk der Liebe und des Friedens!

Juni 2002 

Robert Hülsbusch,
Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG-VK)