Bericht über die Hamburgfahrt der FIHerbst 2000         Fotos

„Ein Verbot der NPD trifft nicht den Kern. Es geht darum zu kämpfen, dass alle Menschen – auch und vor allem Menschen, die schwach, krank, behindert oder arm sind, die am Rande der Gesellschaft leben, nicht nur toleriert werden, sondern mit Respekt behandelt werden.“ Dies ist die Quintessenz eines Gesprächs, dass die Friedensinitiative Nottuln (FI) mit Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete führte. Wie wir berichteten führte die 12. Herbstreise die FI in die Hafenstadt, woGespräche mit vielen unterschiedlichen Organisationen auf dem Programm standen. Am Donnerstag kamen die FI-Mitglieder mit vielen neuen Eindrücken und Ideen für ihre weitere Arbeit vor Ort nach Nottuln zurück.

In der Geschäftsräumen der „Regenbogen“-Abgeordneten, eine Gruppe von Bürgerschaftsabgeordneten, die sich während des Jugoslawienkrieges von den Grünen trennte, diskutierten die Nottulner mit Dirk Hauer unter anderem über Rechtsradikalismus und über Möglichkeiten, diesem zu begegnen. Aus Hamburger Sicht berichtete Hauer über die sogenannte „Anti-Schmutz-Kampagne“ der Stadt vor drei Jahren. Drogenabhängige, Bettler, Obdachlose und alle anderen Personen, die das Einkaufsbild der Stadt „verschmutzten“, sollten verschwinden. Dirk Hauer dazu: „Das ist der Geist, der Neonazismus entstehen hilft!“ Rassismus und Nazismus kämen so aus der Mitte der Gesellschaft und aus der Mitte der Politik. Entscheidend seien nicht Toleranz, sondern ein respektvoller Umgang mit Menschen. Hauer: „Wichtig ist die Art und Weise, wie wir über andere Menschen denken, reden, wie wir sie behandeln.“ Man müsse sich nur mal - und das nicht nur in Hamburg – ansehen, wie ein Sozialamt funktioniere. Das sei auch eine Brutstätte für fremdfeindliches und rassistisches Denken.

Die Umweltorganisation Robin Wood stellte den Nottulner FI-Mitgliedern ihre Kampagnen im Bereich Verkehrspolitik und Energiepolitik vor. So fordert die bundesweit agierende Organisation die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Dafür müsse aber massiv in den Schienenverkehr investiert werden. Die Schiene sei in den letzten Jahrzehnten hoffnungslos vernachlässigt worden. In Kürze wird deshalb Robin Wood mit einer Aktion für eine „Schwerlastabgabe“ werben. LKW ab einer Größe von 3,5 Tonnen sollten 50 Pf pro Kilometer bezahlen. Das entspräche auch den Folgekosten, die Lastkraftwagen auf den Straßen und in der Umwelt produzierten. Ausführlich berichteten die Robin-Wood-Aktivisten über ihre Aktionsformen. „Witzig müssen sie sein, spektakulär und sie müssen ein gutes Klima bei allen Beteiligten schaffen,“ war auch ein Rat an die Nottulner. Im zweiten Teil der Fahrt beschäftigte sich die FI mit Fragen der Friedens- und Sicherheitspolitik. Im Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheit („Bahr-Institut“) stellte der Leiter der neuen OSZE-Forschungseinrichtung CORE, Dr. Wolfgang Zellner, seine Perspektiven für die OSZE vor. Wichtig sei, dass auch in Deutschland endlich ein „Entsendegesetz“ verabschiedet wird, das regelt, dass und wie zivile Friedensfachkräfte im Rahmen der OSZE in Krisengebieten tätig sein können. Kurzfristig müsste Deutschland gut ausgebildete zivile Kräfte jederzeit und schnell entsenden können. Dies sei eine Lehre aus dem Kosovokrieg. Ausführlich erklärte Zellner die Arbeit des OSZE-Hochkommissars für Nationale Minderheiten (HKNM). Ohne viel Öffentlichkeitsarbeit sei dieser ständig auf Reisen, um die enormen Probleme zwischen Bevölkerungsgruppen in den verschiedensten Staaten abzufedern. Die Erfolge seien dabei nicht öffentlich nachzulesen. Vielfach jedoch hätte der Hochkommissar Krisen entschärft. Mit dem derzeitigen Amtsinhaber, dem Niederländer Max von der Stoel, ist sich der Institutsdirektor Dr. Zellner einig: „Friedenserhaltende Maßnahmen sind weitaus billiger als Krieg. Und noch preisgünstiger sind präventive Maßnahmen!“ Die Friedensinitiative Nottuln wird sich an die Bundestagsabgeordneten wenden und mit diesen über Perspektiven eines „Entsendegesetzes“ sprechen. Zuvor hatten die Nottulner die Arbeitsgemeinschaft „Kriegsursachenforschung“ (AKUF) an der Universität Hamburg besucht. Frau Dr. Borchard stellte die Arbeit dieser kleinen Wissenschaftlergruppe vor. 34 Kriege gäbe es derzeit auf der Welt, fast alle fänden in Afrika und in Asien statt. Diese Tatsache weise schon auf die wichtigste Kriegsursache hin: Armut und fehlende Perspektiven gingen oft einher mit dem Zerfall staatlicher Ordnung. Über 80 Prozent der Kriege seien deshalb auch innerstaatliche Kriege. Die Folgen dieser Erkenntnis lägen auf der Hand – eine Außenwirtschaftspolitik der westlichen Industriestaaten, die regionale Entwicklungen unterstützt oder erst ermöglicht. Borchard: „Man kann nicht nur von Einer Welt reden, es muss auch ein Konzept dafür her und der Wille, es umzusetzen.“ Leider würde die Forschungsarbeit an den Kriegsursachen von der Politik nicht sehr honoriert. Die Folge: Die Weiterarbeitdieser Einrichtung ist gefährdet. Auch in dieser Hinsicht wird die FI das Gespräch mit den Bundestagsabgeordneten suchen. Nicht nur Gespräche, auch eine Hafenrundfahrt und eine Stadtführung standen auf dem Reiseprogramm der FI. Mit einem kleinen Boot zeigte die Organisation „Rettet die Elbe“ den Nottulner markante Stellen im Hafen. Große Umschlagplätze für Rohstoffe aus den Ländern der Dritten Welt, Flüchtlingsschiffe, Billigflaggschiffe und neue Containereinrichtungen, die viele Menschen verdrängten, boten reichlich Stoff für Diskussionen. Die Stadtführung zeigte den Nottulner Hamburger Wirkungsstätten im Nationalsozialismus – große Aufmarschplätze, große Pläne für die neue „Führerstadt Hamburg“, aber auch kleine zwischenmenschliche Begebenheiten. Was Rassismus und Nationalismus aus Menschen machen, wie viel Leid und Elend sie produzieren, das machte dieser Gang durch die Hamburger Innenstadt in beeindruckender Weise deutlich. Auch dieser Programmpunkt bot Motivation für die weitere Friedensarbeit in Nottuln. Und für das gute Gruppenklima sorgten die vielen Freizeitunternehmungen der Nottulner – der obligatorische Besuch der Reeperbahn, das Aufsuchen kleiner Kneipen im portugiesischen Viertel, ein Kabarettabend mit Volker Pispers und ein Einkaufsbummelbummel durch die City sorgten für beste Stimmung.

Robert Hülsbusch