Pressemitteilung der Friedensversammlung des Kreises Coesfeld

9.11.1989

 

Ehemalige Deserteure erzählen ihre Geschichte:

"Ich wollte einfach nur leben!"

 

Vier lange Monate saß er während des 2. Weltkrieges in der Todeszelle. Sein "Verbrechen": Fahnenflucht. Jeden Tag erwartete er die Vollstreckung. Doch Ludwig Baumann lebt - heute in Bremen. Er hatte Glück. Viele, die ebenfalls desertierten, mussten dies mit ihrem Leben bezahlen. Am Dienstag, den 14.11. um 20 Uhr ist Ludwig Baumann in Nottuln in der Alten Amtmannei. Dann wird er seine Geschichte erzählen und berichten, wie sie seinen Lebensweg bis heute bestimmt. Im Rahmen der Deserteur-Ausstellung hat die Friedensversammlung des Kreises Coesfeld ihn zu einem Gesprächsabend mit dem Titel "Ich bin desertiert..." eingeladen.

Anfang Juni 1942 verließ Baumann, Gefreiter der Marine, seine Truppe. Er wurde geschnappt und am 30. Juni vom Gericht des Marinebefehlshabers Westfrankreich zum Tode verurteilt. Die Strafe wurde später in zwölf Jahre Zuchthaus umgewandelt. Nein, er war kein politischer Mensch, als er 21jährig abhaute und Krieg Krieg sein ließ. "Ich wollte einfach leben und nicht morden," erzählt er der Friedensversammlung in einem Vorgespräch. Nach dem Krieg kam er als gebrochener Mann ü, aber auch als einer, der gelernt hatte, politisch zu denken. So ist er heute noch für Frieden und gegen Militär unterwegs.

Aus Hamm kommt zu diesem Erzählabend Gustav Hapke, ein Ehemaliger der Moorsoldaten, die bekannt wurden durch das Lied "Die Moorsoldaten". Dieses wurde zuerst von den Häftlingen in den Emslandlagern gesungen wurde. Die Emslandlager waren - so die FI - ein "großer Knast für Deserteure, Wehrkraftzersetzer und Verweigerer". Gustav Hapke wurde wegen "Widersetzen im Felde" verurteilt. 1941 hatte er sich im Kreis seiner Soldaten-Kameraden empört über den Überfall deutscher Truppe auf die Sowjetunion geäußert. Nach 3 Jahren wurde er entlassen und wenig später in Frankreich wieder verhaftet, diesmal weil er als Koch französischen Zivilisten Essen gegeben hatte.

Auch er wird seine Geschichte an diesem Abend erzählen.

Aus Nottuln hat die Friedensinitiative Günther Lemke eingeladen. Günther Lemke war als Jugendlicher begeistert in den Krieg gezogen. Das gibt er freimütig zu. Die Erfahrung lehrte ihn jedoch eines Besseren. Noch heute empfindet er es als unglaublich, dass nur wenige Jahre nach dem 2. Weltkrieg Deutschland sich wiederbewaffnete. Desertion allerdings steht er aus seiner Erfahrung als Soldat sehr kritisch gegenüber.

Hautnah und persönlich ist an diesem Abend also ein bisher wenig beachtetes Kapitel deutscher Geschichte zu erleben. Ein Dialog zwischen der jungen und der älteren Generation ist von den Organisatoren gewünscht. So haben sie nicht nur extra die Schulen angeschrieben, sondern auch ganz besonders und persönlich die Mitglieder der Kameradschaft Ehemaliger Soldaten in Nottuln eingeladen.

Den kulturellen Rahmen dieser Veranstaltung gestaltet Josef Gebker mit musikalischen Interpretationen am Flügel.

Alle Bürger sind herzlich eingeladen.

 

Mit freundlichem Gruß