Entwürfe eines Denkmals für den Unbekannten Deserteur in Nottuln - von der Billerbecker Künstlerin Mechthild Ammann

Mechthild Ammann
Malerin und Bildhauerin
Westhellen 23
48727 Billerbeck
Tel: 02543 1668 Fax: 219668
www.mechthildammann.de

 

Entwurf 1:  Drei Soldaten - ein Deserteur  Text                                  Entwurf 2: Der Deserteur     Text

 

 

Zum Entwurf 1 (Vier Soldaten)


Gedenkstätte für den unbekannten Deserteur

Ein Deserteur wird von der Gesellschaft im Allgemeinen geächtet. Sein Verhalten gilt als feige und verantwortungslos.
Ich möchte mit diesen beiden Entwürfen eine andere Sichtweise vorstellen.

Material:
Sockel: Naturstein oder Beton
Figuren: Stahl

Zum ersten Entwurf
Auf dem Sockel befinden sich vier menschliche Gestalten, unschwer als Soldaten zu erkennen.
Drei Figuren gehen, das Gewehr geschultert, gemeinsam in dieselbe Richtung. Ihre Haltung ist entschlossen. Mutig gehen sie voran, nicht wissend, was sie erwartet. Ihnen droht Ungewissheit, Verderben, Tod. Deshalb führt der Schritt des Vorangehenden ins Nichts.
Einer jedoch hat sich abgewendet.
Mit der gleichen Entschlossenheit wie seine drei Brüder strebt er in die entgegengesetzte Richtung. Mutig geht er voran, nicht wissend, was ihn erwartet. Auch ihm droht Ungewissheit, Verderben und Tod. Deshalb führt auch sein Schritt ins Nichts.
Die vier Soldaten sind aus dem gleichen Werkstoff (Stahl) geschnitten. Schablonenhaft gleichen sie einander. Unter gleicher Kleidung, bei gleicher Haltung: der Mensch. Unter gleichem Helm: kein Gesicht. Denn es geht um den unbekannten Deserteur und seine unbekannten Brüder, die Soldaten.
Nur das Gewehr ist unterschiedlich positioniert: Während die drei ihr Gewehr geschultert haben, hat es der Deserteur als Zeichen für sein Umdenken von sich geworfen.
Auch die Gestaltung des Sockels ist wohl überlegt: Das ursprünglich gemeinsame Fundament, zeigt sich hier gespalten. Der Riss symbolisiert die unterschiedliche und gegensätzliche Vorstellung der vier Menschen, die die ehemals gemeinsame Basis verloren haben.
Einer hat umgedacht.
Einer schert aus.
Einer hat den Mut zu widersprechen.
Ist es nicht ungleich schwerer, gegen den Strom zu schwimmen, als der Masse zu folgen?
Der Mensch an sich ist kriegerisch. Deshalb kann man die Notwendigkeit von Soldatentum nicht leugnen. Doch es wird Zeit, das Desertieren dann zu rechtfertigen, wenn Kriege geführt werden, die nicht wegen der Verteidigung sondern aus Gründen von Machtgier, Bereicherung, religiösem Wahn oder Ausbeutung geführt werden.
Ist hier nicht der Deserteur vorbildhaft?
Ist es eine Schande, auf die Stimme des Gewissens zu hören?
Hätten Soldaten das Recht, nein zu sagen, würde so mancher Krieg nicht stattfinden. Wäre das ein Fehler?
Die hier vorgestellte Skulptur will uns an unsere eigene Verantwortung erinnern. Sie zeigt: Es
geht auch anders. Sich mutig gegen kriegerische Machenschaften zu stellen und den friedvollen Weg zu gehen, das ist echt menschlich.
Diese desertierenden Soldaten haben unser Gedenken verdient.

Die Skulptur erschließt sich dem Betrachtenden durch ihre klare Aussage auf den ersten Blick.
Weder die Darstellung der drei Soldaten, die entschlossen in den Kampf ziehen noch die des Deserteurs, dessen Haltung die gleiche Entschlossenheit zeigt, verunglimpfen die beiden unterschiedlichen Wege menschlicher Entscheidung. Im Gegenteil: Beide Richtungen haben ihre Berechtigung. Beide Entscheidungen verdienen unseren Respekt.
Die Skulptur regt zum Denken an. Sie ist nicht provokativ, denn sie erinnert uns an unsere Möglichkeit, frei handeln zu können.

Standort-Wunsch
Eine Skulptur steht immer am besten frei und von allen Seiten einsehbar. Doch in diesem Fall wäre auch ein Platz z.B. vor oder an einer Hausfassade oder Mauer möglich. (Größe: variabel, doch nicht unter 150 cm, ohne Sockel)

Mechthild Ammann, Januar 2007

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Zum Entwurf 2 (Ein Deserteur)
 

Mechthild Ammann
Malerin und Bildhauerin
Westhellen 23
48727 Billerbeck
Tel: 02543 1668 Fax: 219668
www.mechthildammann.de




Gedenkstätte für den unbekannten Deserteur

Entwurf Nr.2


Material: Sockel: Naturstein oder Beton
Figur: Stahl
Höhe: nicht unter 180cm ohne Sockel

Diese Skulptur ist eine Variante der ersten Version.
In diesem Fall jedoch ist nur eine Soldatengestalt in enger Verbindung mit der Stahlplatte, aus der sie herausgeschnitten wurde, zu sehen. Aus dem Ausschnitt der Stahlplatte, die den Soldaten mit geschultertem Gewehr mutig und forsch voranschreitend zeigt, dreht sich die ausgeschnittene Figur heraus und marschiert genau so entschlossen (nur das Gewehr ist weggeworfen) in eine andere Richtung. So, als habe er sich aus seiner Vorwärtsbewegung heraus plötzlich anders entschieden, macht der Soldat auf dem Absatz kehrt.

Während die künstlerische Aussage des ersten Entwurfes auch die Mehrzahl der in den Krieg ziehenden Soldaten mit einbezieht und die überaus mutige Entscheidung eines Einzelnen gegenüber der Masse thematisiert, geht es bei dem zweiten Entwurf um den Einzelnen selbst.
Hier verlässt ein Mensch seinen zuvor eingeschlagenen Weg.
Deutlich erkennbar, wendet er sich einem anderen Ziel zu.
Entschlossen und mutig hat er sich gegen den Krieg entschieden und die Waffe zurückgelassen.
Das Vergangene offenbart sich als ein Nichts, als leerer Raum. Es ist nicht mehr sinnerfüllt.
Der Deserteur tritt aus dem Schatten seiner selbst.
Die Motivation seines Handelns ist eine andere geworden.

Standort: Diese Skulptur spielt mit dem Gegensatz von Leere und Form, Licht und Schatten. Ihr Sinn entwickelt sich mit dem Wechsel der Gegensätze. Die Aussage allerdings ist nur zu erkennen, wenn man um die Plastik herum gehen kann. Sie sollte deshalb frei stehen und von allen Seiten zu betrachten sein. Schön wäre z.B. ein Platz auf einer Verkehrsinsel (Kreisverkehr). Dann hätte Nottuln einen „Kreis des Friedens“.

Mechthild Ammann