Karl Schiewerling, CDU

Antworten auf die Fragen der Friedensinitiative Nottuln

 

 

Sehr geehrter Herr Hilgers-Silberberg

 

Vielen Dank für Ihr freundliches Angebot, die Fragen zeitsparend durch Ankreuzen beantworten zu dürfen. Die Problemlagen und Herausforderungen in einer globalisierten Welt, auf die Ihre Fragen zielen, gestalten sich jedoch weitaus komplexer und miteinander verwoben, als das sich darauf mit einem einfachen „dafür“ oder „dagegen“ auch nur annähernd angemessen reagieren ließe. Schließlich geht es hier nicht um Positionen, sondern um die Zukunft der Menschen in der „Einen Welt“ und um die Frage, welche politischen Prozesse notwendig sein werden, damit die Menschen in allen Teilen der Erde eine Chance haben, in Sicherheit, Frieden und Gerechtigkeit miteinander leben zu können. Hier ist Dialogbereitschaft und –fähigkeit aller Beteiligten in der Gesellschaft gefragt. Deshalb erlauben Sie mir, meine Vorstellungen in den Rahmen einer globalen Ethik der Verantwortung zu stellen und mit den entsprechenden Erläuterungen auszuführen.

 

Sie werden mir sicher zustimmen, dass sich die „Weltordnung“ – und damit die politischen Herausforderungen für unser Handeln in Europa und in der Einen Welt seit dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien und spätestens nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 entscheidend und dramatisch verändert hat. Sie werden mir sicher zustimmen, das diese außergewöhnlichen Entwicklungen auch eine Neubewertung und Neubestimmung der Verantwortung in der Friedens-, Sicherheits-, Außen- und Entwicklungspolitik erfordern – somit einen Prozess verlangen, der letztlich keine nationalen Alleingänge mehr duldet, sondern eingebunden sein muss, sowohl in den Kontext der verschiedenen Bündnisse (EU, NATO und UN), als aber auch – stärker als früher – unter Beteiligung der Zivilgesellschaft – hier in Europa und in den Ländern der so genannten „Dritten Welt“. Ich werde diesen Aspekt im weiteren Verlauf erläutern.

 

 

Frage 1+2: Einsatz der Bundeswehr und zivile Konfliktbearbeitung

In der globalisierten Welt mit ihren zunehmenden Konfliktlagen wird auch die Rolle der Bundeswehr im Rahmen einer global verantworteten Friedenspolitik neu – parlamentarisch und im Rahmen der Bündnisverpflichtungen – zu bestimmen sein. Deshalb sollte man sich vor perspektivischen Verengungen in den friedenspolitischen Anstrengungen hüten und ein von der konkreten Bedrohungslage losgelöstes pro und contra von „Bundeswehreinsätzen“ eher mit kritischem Argwohn betrachten. Es ist mir deutlich bewußt, dass der konfliktintervenierende Einsatz von Streitkräften eigentlich immer bereits ein „zu spät“ markiert, d.h. stattfindet in einer Situation, in der bereits im Vorfeld hätte mit politischen Mitteln „präventiv“ gearbeitet werden müssen. (Dies begreife ich durchaus als eine Selbstkritik, denn auch in der Politik tun wir uns oft schwer damit, eine Kultur des bloßen Zusehens und Wegsehens in eine Kultur des aktiven und engagierten Einmischens zu verwandeln... – hier sind die Politiker ihrerseits auf eine aktive und ihre politische und gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmende Bürgergesellschaft angewiesen....!)

Fakt ist heute: Die jahrzehntelange Gewaltherrschaft im Irak ist beendet. Und trotz aller Terroranschläge gibt es beim Wiederaufbau und bei der Demokratisierung des Landes Fortschritte. Zusammenfassend tendieren wir in der Union dennoch dahingehend, den neuen Aufgabenkatalog von Streitkräften rechtlich und gesetzlich neu zu fassen.

 

Ich bin allerdings der vollen Überzeugung, dass eine aktive Friedenspolitik vor allem heißt, neben friedenssichernden Maßnahmen den Weg der aktiven Friedensförderung politisch zu intensivieren, sprich: politisch all die zivilgesellschaftlichen Kräfte in den (Krisen- und Konflikt-)Regionen der Welt zu stärken, die an einer zivilen und friedlichen Konfliktlösung interessiert sind. Hier unterstütze ich voll und ganz das Vorhaben meiner Partei, neben dem vorrangig unter militärsicherheitspolitischem Aspekt agierenden Bündnis der NATO komplementär für ein starkes institutionelles nichtmilitärisches Standbein im Rahmen einer neuen „Atlantischen Charta“ (im Rahmen der UN) einzutreten. Und ein zweites Anliegen ist mir vordringlich, das Ihre zweite Frage zur „zivilen Konfliktbearbeitung“ berührt: Aus meiner langjährigen Arbeit im Kolpingwerk, das sich in 52 Ländern dieser Erde aktiv mit den Menschen und Initiativen an der Basis für den Aufbau friedens- und existenzfördernder Strukturen engagiert, weiß ich, dass eine Basis für Frieden und Verständigung nur da entstehen kann, wo Menschen mit unterschiedlichen Überzeugungen in einen offenen und gleichberechtigten Dialog treten können, wo sie die Möglichkeit haben, auch durch ihre eigene Arbeit die Grundlagen ihrer wirtschaftlichen und familiären Existenz zu sichern. Deshalb ist für mich Friedenspolitik heute vor allem Stärkung der aktiven Friedensdienste und die Bewusstmachung ihrer Leistungen für den Abbau von „Vorurteilen“, „Berührungsängsten“ und den Aufbau eines notwendigen interkulturellen und interreligiösen Dialogs (vor allem mit dem Islam...!). In diesem Zusammenhang bin ich bereits bei meinem prioritären Anliegen, dem nämlich, dass die Entwicklungspolitik im Rahmen einer globalen Friedenspolitik eine Schlüsselrolle spielt. Erlauben Sie mir deshalb, die Fragen 3 und 4 nur zu streifen:

 

3. Frage: Rüstungsexporte

In Deutschland wird der Handel mit Kriegswaffen, zu denen auch Handfeuerwaffen zählen, durch das Kriegswaffenkontrollgesetz - wie ich meine ausreichend - geregelt.

Die Lieferungen von U-Booten und Flugabwehrraketen nach Israel sind hierbei unserer besonderen historischen Verantwortung geschuldet.

 

4. Frage: Abrüstung und Friedenspolitik

Entscheidend ist ein Mehr an Sicherheit. Einseitigkeit bei Abrüstung und Rüstungskontrolle trägt dazu nicht bei. Insbesondere im Bereich der Massenvernichtungswaffen muss präzise abgestimmt im Rahmen der vorgesehenen UN-Mechanismen vorgegangen werden.

Diese Frage nach dem sofortigen Abzug der amerikanischen Atombomben aus Deutschland muss unter Berücksichtigung der weit über unsere Grenzen hinaus gehenden Bedrohungssituation im Rahmen der NATO geprüft und beraten werden.

 

5. Frage: Haushalt – Militär und Entwicklungspolitik

Die Frage nach der Entwicklungspolitik ist für mich eine der Schlüsselfragen der Zukunft:

Nicht nur die Herausforderungen der Globalisierung der Weltwirtschaft, sondern vor allem der Kampf gegen den internationalen Terrorismus haben die strategische Bedeutung der Entwicklungspolitik in den letzten Jahren massiv verstärkt. Entwicklungspolitik muss in diesem Zusammenhang als dritte unverzichtbare Säule neben der Außen- und Sicherheitspolitik betrachtet werden.

Denn nur mit ihrer Hilfe können der Nährboden für Terroristen und ihre Unterstützer in Entwicklungsländern beseitigt und die notwendigen Strukturen für den Aufbau eines funktionierenden Staats- und Gesellschaftswesens geschaffen werden.

 

Ausgangspunkt einer zukunftsfähigen Entwicklungspolitik, wie ich sie mit meiner Partei auch vertrete, ist neben meiner aus christlicher Überzeugung heraus tief empfundenen Verpflichtung, den Menschen in den armen Ländern zu helfen, vor allem das Ernstnehmen der globalen Verantwortung für die Schöpfung: Unser Ziel muss es sein, die Ursachen der Armut auf der Welt zu bekämpfen. Denn die Geschehnisse in anderen Teilen der Welt haben in einer global vernetzten und zunehmend wechselseitig abhängigen Welt in immer stärkerem Ausmaß auch grenzüberschreitenden Charakter. Deshalb ist für mich das Leben der zukünftigen Generationen in Europa zutiefst mit dem Schicksal der heutigen Entwicklungsländer verknüpft. Es liegt daher in unserem eigenen Interesse, den Entwicklungsländern die besten Voraussetzungen und Chancen für ihre Chancen einzuräumen und einen wirksamen Beitrag dafür zu leisten, dass sie sich erfolgreich – und unter fairen Bedingungen ( - das Kolpingwerk ist seit Jahren im Fairen Handel engagiert und tritt dafür auch politisch ein!- ) in die Weltwirtschaft integrieren können. Deshalb ist es auch ein Anliegen der CDU, die Höhe des Entwicklungshaushalts an die international vereinbarte Zielgröße von 0,7% des BIP anzunähern. Dennoch: Finanzmittel sind nur die eine Seite einer wirkungsvollen Entwicklungszusammenarbeit. Zentraler – und auch nachhaltiger - ist es, m.E., politisch (und zivilgesellschaftlich) das Bewußtsein dafür zu schaffen, dass – wie Papst Paul VI es in seiner 1967 verfaßten Enzyklika „Populorum Progressio“ formulierte, „Entwicklung (...) der neue Name für Frieden (ist).“ In dieser Tradition steht auch das Beispiel des Kolpingwerkes: Die Entwicklungszusammenarbeit des Internationalen Kolpingwerkes setzt daher dabei an, solche Ungerechtigkeiten zu überwinden und gerade den an den Rand der Gesellschaft gedrängten Bevölkerungsgruppen eine Hilfestellung zu geben bei der Überwindung dieser Randsituation. Das geschieht durch Bildung, durch die Förderung produktiver Projekte der Armen zur Verbesserung ihrer Einkommenssituation, durch Kleingewerbeförderung etc. Nicht zuletzt geschieht dies jedoch auch durch den Aufbau von Kolpingsfamilien und Kolpingverbänden, die als Teil der Zivilgesellschaft den Armen eine Stimme geben können und damit einen Beitrag dazu leisten, dass die Interessen der Armen in der gesellschaftlichen Diskussion nicht übersehen und zum Schweigen gebracht werden können.

 

6. Frage: Europäische Friedenspolitik

Der Verfassungsvertrag verpflichtet die Europäische Union auf die „Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen“ (Artikel I-3, Abs. 4), also insbesondere auch die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Bei den besonderen Bestimmungen über die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (Artikel I-41) wird schon durch die Reihenfolge der Nennung deutlich, dass die zivilen Mittel der Konfliktlösung Vorrang vor den militäri­schen haben. Auch an dieser Stelle wird betont, dass alle Maßnahmen „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen“ stattzufinden haben.

 

In der Tat sieht aber der Verfassungsvertrag vor, dass die EU notfalls auch zu militärischen Mitteln greift und diese auch gezielt aufbaut. Ich halte das für richtig, da ich zutiefst überzeugt bin, dass wir unsere Grundwerte – Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit – notfalls auch mit Waffengewalt verteidigen müssen. Der Einsatz militärischer Gewalt ist aber an sehr strenge Voraussetzungen gebunden.

 

Stattfinden kann eine solche Maßnahme nur, wenn zuvor ein einstimmiger Beschluss des Rats ergeht. Artikel I-41, Abs. 4 und Artikel III-300 Abs. 1 und Abs. 4 des Verfassungsvertrags sind da unmissverständlich. Das betrifft auch die Durchführung einer Mission durch eine Gruppe von Mitgliedstaaten. Keinesfalls können  einzelne oder mehrere Staaten nach eigenem Gutdünken im Namen der Europäischen Union militärisch tätig werden. Immer ist ein einstimmiger Beschluss des Rats erforderlich. Das ist bei 25 Mitgliedstaaten eine sehr hohe Hürde.

 

Ein weiterer Hauptanstoßpunkt der Kritik ist der Artikel I-41 III Unterabsatz 2 Satz 1 VerfV der ausdrücklich von einer Verbesserung der militärischen Fähigkeiten spricht. Satz 2 dieser Vorschrift macht jedoch deutlich, dass damit vor allem eine effizientere Verzahnung der nationalen Militärkapazitäten durch eine Europäische Verteidigungs­agentur gemeint ist. Durch europaweite Koordinierung und Abstimmung wird es mög­lich sein, parallele Strukturen und damit auch Kosten zu reduzieren. Dies ist keineswegs mit Aufrüstung gleich zu setzten.

 

Nicht zufrieden stellend ist die fehlende gerichtliche Kontrolle der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik durch den Europäischen Gerichtshof. Dieser Mangel sollte im Rahmen einer nächsten Vertragsänderung korrigiert werden. Derzeit besteht jedoch keine Aussicht, eine umfassende Kontrollkompetenz des Europäischen Gerichtshofs durchzusetzen. Das ist nur deshalb hinnehmbar, weil die Handlungen und Entscheidungen der jeweiligen nationalen Regierungen weiterhin der gerichtlichen Überprüfung durch die nationalen Verfassungsgerichte unterliegen. Insofern bleibt das Grundgesetz Maßstab des Handelns der Bundesregierung.

 

Das gilt auch für die parlamentarische Zustimmung als Voraussetzung eines Auslandseinsatzes der Bundeswehr. Das gerade erst vom Bundestag verabschiedete Parlamentsbeteiligungsgesetz, mit dem der verfassungsrechtliche Parlamentsvorbehalt konkretisiert wird, hat volle Geltung auch für Einsätze der Bundeswehr auf der Grundlage von Beschlüssen nach Art. III-309 des Verfassungsvertrags. Nur deshalb ist auch die äußerst bescheidene Rolle des Europäischen Parlaments in Bezug auf die Europäi­sche Sicherheits- und Verteidigungspolitik hinnehmbar. Auch ein echtes Mitwirkungs­recht des Europäischen Parlaments muss aber Gegenstand einer zukünftigen Vertragsänderung sein.

 

Auch unter Berücksichtigung der unbestreitbaren Mängel bin ich doch überzeugt, dass der Verfassungsvertrag den Rahmen für eine verantwortungsvolle, den Zielen einer friedvollen Konfliktlösung verpflichtete Außenpolitik setzt.

 

 

 

Schlussbemerkung:

 

Bei den von Ihnen gestellten Fragen steht oftmals zugleich die Problematik der Finanzierung im Hintergrund.

Insofern wird es unsere vornehmliche Aufgabe sein, die Wirtschaft in Deutschland von ihren derzeitigen Belastungen und Hemmnissen zu befreien. So nutzen wir effizient Deutschlands Chancen und schaffen die dringend benötigten Arbeitsplätze.

 

Schließlich ist eine gesunde Wirtschaft auch der beste Garant für den sozialen Frieden eigenen Lande.