Vortrag:  Globalisierung und Dritte Welt  - Gefahren und Chancen  3.5.2004    

 

Bericht WN

 

 

 

Nottuln/Kreis Coesfeld. Wie wirkt sich die Globalisierung auf die Entwicklungsländer aus? Welche zusätzlichen Benachteilungen erfahren diese Länder? Welche Chancen eröffnen sich ihnen durch die Globalisierung der Märkte und der Kommunikation? Auf einem Vortrags- und Gesprächsabend mit dem Titel „Globalisierung und Dritte Welt“ soll am kommenden Montag, den 3. Mai 2004 in Nottuln in der Alten Amtmannei diesen Fragen nachgegangen werden. Dazu laden gleich drei Organisationen ein: die attac-Gruppe Kreis Coesfeld, der Aktionskreis Jaoa Pessoa, in dem sich „Eine-Welt-Organisationen“ zusammengeschlossen haben, und die Friedensinitiative Nottuln. Als Referent kommt aus Frankfurt der Politikwissenschaftler Dr. Stephan Hessler. Der Volkswirt und Politologe lehrt am Institut für Vergleichende Politikwissenschaften und Internationale Beziehungen der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und habilitiert zurzeit zum Thema "Finanzkrisen in Schwellenländern". Dr. Hessler hat viele Jahre in Südamerika gearbeitet. Er ist seit 1999 Mitglied von attac und im wissenschaftlichen Beirat tätig. Im Mittelpunkt seiner Arbeit steht die attac-Forderung nach Einführung einer Tobinsteuer, einer Abgabe auf internationale Finanztransaktionen. Schon ein marginaler Umsatzsteuersatz von 0,05% auf Devisengeschäfte – so Dr. Hessler -  würde eine Einnahme von 60 - 90 Milliarden US-Dollar pro Jahr erzielen. Das ist das Doppelte aller Entwicklungshilfeausgaben der OECD-Länder. Die Einnahmen aus der Tobinsteuer könnten in Problembereiche fließen, die von der internationalen Gebergemeinschaft bisher sträflich vernachlässigt worden sind - in Projekte und Programme, die schon im Vorfeld zur Vermeidung von Kriegen und gewaltsamen Konflikten beitragen, in Maßnahmen zur Bekämpfung des Hungers und der absoluten Armut, im Sinne einer Wahrung des Menschenrechtes auf körperliche Unversehrtheit und in globale, grenzüberschreitende Umweltschutzprogramme,  z.B. Klimaschutz. Die Organisatoren laden zu diesem Abend alle Bürgerinnen und Bürger ein. Der Eintritt ist frei.

 

 

 

Spannender Vortrag: 

 

Globalisierung führt zu neuen Strukturen, die neues Handeln erfordern.

 

 

 

Nottuln. „Die klassische Weltstruktur – die Entwicklungsländer im Süden und die Industriestaaten im Norden der Weltkugel – wird durch die Globalisierung zunehmend aufgehoben.“ Diese These vertrat am Montagabend Dr. Stephan Hessler, Politikwissenschaftler aus Frankfurt, auf einem Vortragsabend des Aktionskreises Joao Pessoa, der Gruppe Attac Kreis Coesfeld und der Friedensinitiative Nottuln. Wie wirkt sich die Globalisierung auf die Entwicklungsländer aus? Das war die Leitfrage, die den Abend bestimmte. Der Referent ist Volkswirt und Politologe und lehrt am Institut für Vergleichende Politikwissenschaften und Internationale Beziehungen der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. In den Ländern der sogenannten Dritten Welt hätten sich gerade in den letzten Jahren große Zentren gebildet, die in den Globalisierungsprozess eingebunden seien – große Bank- und Handelszentren. Diese seien – so Dr. Hessler – eng mit den Zentren in den Ländern des Nordens verbunden. Sie bildeten ein Netz der „Global Cities“. Auf der anderen Seite würden immer mehr Menschen und Regionen von dieser Entwicklung abgekoppelt – auch in den Dienstleitungsgesellschaften des Nordens. Als Beispiel führte der Referent einen Stadtteil in seiner Heimatstadt Frankfurt an, der nach und nach typische Strukturen von Unterentwicklung ausbilden würde: hohe Arbeitslosigkeit, Armut und große Unsicherheit. Dr. Hessler: „Nach 22 Uhr geht dort niemand mehr auf die Straße – auch die Polizei nicht“. Der Verlust öffentlicher Räume und staatlicher Kontrolle würde dann durch das Einkaufen privater Sicherheitsdienst ausgeglichen – wie z.B. in den Länder Lateinamerikas. Insgesamt habe die Globalisierung eine „Entgrenzung“ auf der Erde geschaffen – eine Entgrenzung der Kultur und des Kapitals, aber auch eine Entgrenzung der sozialen Verwerfungen wie große Unterschiede zwischen arm und reich.  Die wirtschaftliche Entwicklung der letzten 10 Jahre nahm sich der Referent besonders unter die Lupe. Während das allgemeine Weltsozialprodukt nur langsam gestiegen sei, gäbe es große Entwicklungssprünge im Bereich der Devisengeschäfte und des virtuellen Handelns. Und während im herkömmlichen Gewerbe – z.B. im Handwerk – jeder seine Steuern abführen müsste, würden in den neuen Wirtschaftsbereichen kaum Steuern gezahlt. Es gäbe noch keine wirklichen Regelungen der neuen Marktfelder. So wird z.B. der Devisenhandel nicht besteuert. Hessler: „Die Welt verzichtet hier auf riesige Steuereinahmen und damit auf allgemeine Wohlfahrt.“ Unter anderem dies sei der Grund für die derzeitige Unterfinanzierung der öffentlichen Hand. Ein Ergebnis sei, dass die Kommunen im Grunde „Elendsverwalter“ geworden seien. Hessler: „Kommunalpolitiker können heute nur noch erklären, was sie machen würden, wenn Geld da sei!“ Die Lösung sieht der Wissenschaftler darin, eine Tobinsteuer zu erheben. So könnten schon ein marginaler Umsatzsteuersatz von 0,05% auf Devisengeschäfte zu einer Einnahme von 60 - 90 Milliarden US-Dollar pro Jahr führen. Das sei das Doppelte aller Entwicklungshilfeausgaben der OECD-Länder. Die Einnahmen aus der Tobinsteuer könnten in Problembereiche fließen, die von der internationalen Gebergemeinschaft bisher sträflich vernachlässigt worden sind - in Projekte und Programme, die schon im Vorfeld zur Vermeidung von Kriegen und gewaltsamen Konflikten beitragen, in Maßnahmen zur Bekämpfung des Hungers und der absoluten Armut, im Sinne einer Wahrung des Menschenrechtes auf körperliche Unversehrtheit und in globale, grenzüberschreitende Umweltschutzprogramme,  z.B. Klimaschutz.

 

Foto:  Ulla Hülsbusch moderierte den Vortragsabend und begrüßte den Experten für internationale Beziehungen, Dr. Stephan Hessler