25 Jahre engagierte Friedenspolitik - Die FI feiert Jubiläum
Interview der Westfälischen Nachrichten mit Ingeborg Bispinck-Weigand, Vorsitzende der FI im Jubiläumsjahr. 26.8.2006
1. In den Anfangsjahren waren die Aktivitäten der FI oft Gegenstand heftiger
Auseinandersetzungen in der Gemeinde. Ist heute nach 25 Jahren die Streitkultur
friedlicher geworden?
Ich weiß nicht, ob die Streitkultur friedlicher geworden ist. Wir erleben aber,
dass unsere Befürchtungen, Sorgen und Vorstellungen von einer gerechteren Welt
auf eine breitere Zustimmung in der Bevölkerung von Nottuln stoßen.
Wir vertreten nach wie vor auch sehr kritische Positionen. Sicher waren früher
die Aktionsformen provokativer. Wir mussten uns ja auch zunächst Gehör
verschaffen, und das war gar nicht so einfach. Uns begegnete im Nottuln von vor
25, 20, 15 und manchmal auch noch 10 Jahren – mal vorsichtig ausgedrückt – viel
Unverständnis. Da kamen plötzlich junge Leute, die in Nottuln bis dahin
weitgehend unbekannt waren, und stellten ihre friedenspolitischen Forderungen.
Naja, heute sind die Aktionsformen schon ruhiger. Unsere Arbeit hat aber auch
eine größere Akzeptanz erreicht und eine große öffentliche Aufmerksamkeit. Wir
sind inzwischen bekannt, viele schätzen unsere Arbeit, weil sie auch die Kultur
in Nottuln bereichert.
2. Ursprünglich hat sich die FI gegen die Stationierung amerikanischer Raketen
in Deutschland engagiert. Heute beschäftigt sie sich auch mit Solarstrom,
Pflanzenöl, der Lokalen Agenda oder der Hilfe für Weißrussland und Afrika.
Besteht da nicht die Gefahr, sich zu verzetteln?
Ja, es ist viel, aber wir verknüpfen die vielen Themen miteinander, weil sie in
der Realität des 21. Jahrhunderts auch zusammen gehören. Ein umfassender
Friedensbegriff, der den Frieden mit der Natur und der eine menschliche
Entwicklung für alle Menschen auf unserem Globus mit einschließt, liegt unserer
Arbeit zugrunde. Deshalb die vielen Themen. Wir denken aber auch, dass dieser
Hintergrund in unseren Aktionen deutlich wird. Wir engagieren uns auch nach wie
vor noch gezielt gegen Militär- und Kriegspolitik. Das ist zurzeit auch dringend
erforderlich, da Krieg immer selbstverständlicher Mittel der Politik wird.
3. Rückblickend betrachtet, was würden Sie als größten Erfolg der FI-Arbeit
bewerten?
Ich glaube, wir können auf eine ganze Reihe von Erfolgen zurückblicken, zu denen
wir beigetragen haben: Einstellung des Tiefflugs auch über Nottuln, eine
Städtepartnerschaft mit Polen, den Runden Tisch gegen Gewalt, die Friedensfeste,
die großen Anklang fanden, und nicht zuletzt die vielen Solaranlagen in Nottuln.
Der größte Erfolg jedoch ist, dass wir daran mitgewirkt haben, dass in Nottuln
nun schon seit vielen Jahren eine kontinuierliche, ernsthafte friedenspolitische
Diskussion stattfindet und eine Diskussion über die Entwicklung einer Zukunft,
die auch für unsere Kinder noch lebenswert sein soll.
4. Und was war aus Ihrer Sicht die größte Enttäuschung?
Das war sicher Mitte der 80er Jahre die Stationierung der amerikanischen
Mittelstreckenraketen in Deutschland, die wir so sehr bekämpft haben, und dass
in deren Folge die große Friedensbewegung zusammengebrochen ist. Das war aber
auch der erste Golfkrieg 1991. Wir hofften damals, dass nach dem Ende der
Ost-West-Konfrontation eine friedlichere Welt möglich gewesen sei. Und auf
Nottuln bezogen: Dass wir doch oft, wenn wir auf Kriege wie z.B. in
Tschetschenien aufmerksam gemacht haben, ziemlich alleine auf dem Marktplatz
standen.
5. Der Großteil der FI-Arbeit wird von einem relativ kleinen Kreis von etwa 15
Mitgliedern bewältigt, die ja auch häufig noch einem Beruf nachgehen. Wie kann
man mit so wenig Leuten so viele Themen besetzen und Projekte initiieren?
15 Aktive, die sich wöchentlich mindestens einmal – oft mehrmals – treffen und
effektiv arbeiten, das ist schon ein großer Kreis. Wir haben aber auch eine gute
Arbeitsstruktur, eine hohe Verlässlichkeit und eine gute Arbeitsatmosphäre, an
der wir regelmäßig arbeiten. Dazu kommt ein Netzwerk – regional und bundesweit.
Wir stehen mit vielen Organisationen in engem Kontakt, was eine gegenseitige
Unterstützung bedeutet. Und nicht zuletzt ist die große Zahl von Mitgliedern in
unserem Verein ein wichtiger Erfolgsfaktor. Viele Menschen unterstützen uns
ideell und finanziell. Das eröffnet uns einen großen Handlungsspielraum.
6. Die FI hat nach eigenen Angaben rund 80 Mitglieder, von denen aber viele
schon älteren Jahrgangs sind. Hat die FI ein Problem damit, junge Leute für ihre
Arbeit zu begeistern?
Jede Generation hat ihre Arbeitsformen. Als junge Menschen hätten wir uns auch
nicht mit 50jährigen Woche für Woche getroffen und geredet und geplant. Aber es
gibt viele punktuelle Kooperationen mit jungen Menschen in Nottuln. Das
Friedensfest hätten wir ohne die Mitarbeit von Jugendlichen gar nicht geschafft.
Und wenn wir nach Ahaus fahren und uns auf die Straße setzen, um gegen
Castortransporte zu demonstrieren, fahren gerade junge Leute mit. Dass diese
dann Vereinsmitglieder werden oder gar regelmäßig zu unseren Treffs in der Alten
Amtmannei kommen – das können wir nicht erwarten. Es wäre uns aber auch eine
Beruhigung, wenn unsere Anliegen von der jüngeren Generation auch der 20 bis
40jährigen in ihren Ausdrucksformen getragen und manchmal deutlicher sichtbar
würden.
7. Welches Projekt möchte die FI in Zukunft unbedingt noch in Nottuln
verwirklichen?
Seit vielen Jahren möchten wir in Nottuln ein Denkmal für den unbekannten
Deserteur errichten. Die Vision dahinter heißt: Kein Land, kein Volk, keine
Religion hat es verdient beziehungsweise nötig, dass Menschen dafür in den Krieg
zu ziehen. Wir brauchen alle Kräfte, um den Krieg als die größte aller
Menschenrechtsverletzungen zu überwinden.