Grußwort von Winni Nachtwei, MdB, beim

Festakt  20 Jahre Friedensinitiative FI Nottuln

8. Juni 2001

Liebe Freundinnen und Freunde der FI,
sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Gäste,

ich freue mich sehr, heute bei einem Geburtstag der besonderen Art dabei sein zu können. Die durchschnittliche Lebenserwartung von sozialen Bewegungen und Basisinitiativen ist in der Regel eher überschaubar. Vor diesem Hintergrund ist die FI geradezu steinalt – und dabei phantastisch jung geblieben.

Heute erfahre ich in Berlin und auch bei manchen früheren Friedensbewegten des öfteren Abschätziges über die Friedensbewegung der 80er Jahre. Ganz vergessen zu sein scheint der Wahn damaliger Sicherheitspolitik.

(Enthüllung des Transparents: „WINTEX-CIMEX: Unsere Behörden üben Krieg!“)

Beispielhaft dafür stand die zivil-militärische Übung WINTEX-CIMEX, gegen die wir 1987 gemeinsam in den frühen Morgenstunden vor der Geschwister-Scholl-Schule in Nottuln demonstrierten. (Im Keller befand sich der „Ausweichsitz“ des Regierungspräsidenten Münster für den Spannungs- und Verteidigungsfall) Damals übte man die „Verteidigung“ der Bundesrepublik im Atomkrieg, „Selbstmordverteidigung“ nannten wir das. Das war Realitätsferne, ja Spinnerei! Völlig realistisch und rational war es, dagegen zu demonstrieren!

Der alte Ost-West-Konflikt verschwand, enorme Abrüstungsschritte wurden möglich.

Doch der große Frieden brach deshalb ganz und gar nicht aus, Gewaltkonflikte innerhalb von  Staaten traten in den Vordergrund.

Die Friedensbewegung stand vor neuen Herausforderungen, neuen Aufgaben – und neuen Konflikten. Die FI Nottuln hatte schon in den 80er Jahren erkannt, dass eine Ein-Punkt-Orientierung Frieden kaum näher bringt, das die Kritik von Rüstung und Militär nicht reicht, dass positiver Frieden auf verschiedenen Wegen angegangen und vorbereitet werden muss.

Mit den Balkan-Kriegen stellte sich eine Frage neu: Was tun, wenn Krieg ist, wenn vertrieben und gemordet wird.

Die FI Nottuln hat die daraus resultierenden schweren Konflikte ausgehalten, sie ist nicht daran implodiert wie viele andere Friedensgruppen und hat sich nicht aus Enttäuschung verhärtet, sie hat Friedensfähigkeit bewiesen.

Markenzeichen der FI Nottuln sind ihre Offenheit, ihre Dialog- und Konfliktfähigkeit, ihrer langer Atem und ihre Herzlichkeit – und das alles auf einer Basis von Kompetenz und Solidität. Ich bin inzwischen viel in der Bundesrepublik herum gekommen: Mir ist keine bessere Friedensinitiative als die FI Nottuln begegnet. Sie ist bundsweit einmalig!

Als Mitglied im Verteidigungsausschuss arbeite ich auf gefährlich glattem Pflaster. Umso mehr habe ich Euch zu danken für eine Zusammenarbeit, die immer freundschaftlich, fordernd und gegenseitig fördernd war. Es ist keineswegs selbstverständlich, dass man als Mitglied einer Regierungsfraktion noch Mitglied einer Friedensinitiativ ist – und das guten Gewissens auf beiden Seiten sein kann.

Ich empfinde Euch als meine konzentrierte Basis, die mir maßgeblich hilft, Orientierung und Kraft zu halten in einem Umwelt, wo die Richtung schnell verloren gehen kann. Die Forderung nach einer umfassenden und kritischen Aufarbeitung des Kosovo-Krieges ist nur das letzte Beispiel dafür, wie wir auf verschiedenen Bühnen für dieselbe Sache wirken können.

Ich soll Euch aus Berlin grüßen, von wo Ihr etliche Enttäuschungen erfahren habt?

Ich will Euch aus Berlin grüßen, weil ich an dem historischen Ort, wo wir jetzt arbeiten, weiterhin die phantastischen historischen Chancen spüre, die unsere Generationen nutzen müssen und nicht verspielen dürfen.

Damit wir das schaffen, brauchen wir Initiative, Druck, Kritik von der Basis.

Ihr praktiziert das in vorbildlicher Weise. DANKE!

Anmerkung:

Nottuln ist eine Kleinstadt im Kreis Coesfeld im Münsterland. Die FI hat 70 Vereinsmitglieder (seit Jahren steigende Tendenz), zum Montagstreff kommen ca. 20 Aktive. Seit Mitte der 80 er Jahre bestimmt ein positiver Friedensbegriff ihre Arbeit. Für Frieden, Umwelt und Entwicklung arbeitet sie an positiven Perspektiven und ihrer exemplarischen Umsetzung: zum Beispiel gewaltfreie Trainings, Regionalgruppe Ziviler Friedensdienst, Städtepartnerschaften, Tschernobyl-Hilfe, Anti-Castor-Arbeit (Ahaus), SNOW/Projekt e3, Agenda 21, CarSharing, Aktionskreis Joao Pessoa, Kampagne Schuldenerlass ... 

Das alljährliche Friedensfest zieht immer viele hundert Menschen an.

 Unter den Gästen des Festakts befinden sich acht aktive und ehemalige (stv.) Bürgermeister, die Vorsitzenden aller Ratsfraktionen (CDU, SPD, UWG, Grüne, FDP), mehrere Schulleiterinnen, Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche, des Städtepartnerschaftskomitees, der Sparkasse und der Volksbank, der Kindernothilfe, des Missionskreises, von Pax Christi, des Friedenskreises Senden, der BI Ahaus, der Leiter der WN-Lokalredaktion.

Der CDU-Bürgermeister stellt die Frage: 20 Jahre Friedensarbeit oder 20 Jahre Ruhestörung? Er erinnerte an die Anfangsjahre, als diese Neubürger Themen in die Öffentlichkeit brachten, die eigentlich doch nichts mit Nottuln zu tun gehabt hatten. Doch bald sei die FI in der Bürgerschaft angekommen. Er dankt für das lange und großartige Engagement. „Ihre Arbeit erfordert Respekt und unseren Dank. Wir brauchen Sie und ihre Arbeit!“ (Es ist eine Rede, die aus vollem Herzen kommt und überzeugend vorgetragen wird – als wär`s eine Vorschlagsrede für einen Friedenspreis.)

Die Hauptrede hält Mani Stenner, Geschäftsführer des Netzwerk Friedenskooperative, Bonn:

„20 Jahre Friedensarbeit in der Bundesrepublik –und Nottuln war dabei“. Auch für ihn ist die FI einmalig in der Bundesrepublik. Deutlich kritisiert er die erste deutsche Kriegsbeteiligung unter Rot-Grün. Er ruft dazu auf, schon jetzt das NEIN zu organisieren gegen einen nächsten Krieg.

Robert Hülsbusch schildert, wie gut die FI nach anfänglichen Schwierigkeiten in der Öffentlichkeit wahrgenommen worden sei. Über 3.000 Zeitungsartikel seien in den 20 Jahren über die FI erschienen! Ein Erfolgsfaktor seien die Vielfalt ihrer Themen und ihre soliden Arbeitsstrukturen gewesen. (vgl. R.H.: „Ach ja, Nottuln ...“ in der u.g. Dokumentation)

Einen vorzüglichen Überblick über die Arbeit der FI bieten zwei gerade erschienene Veröffentlichungen:

-         Eine Initiative für das Leben – 20 Jahre Friedensarbeit in Nottuln - Schlaglichter auf die FI-Arbeit von 1981 bis 2001, Dokumentation, 200 S.

-         Friedensinitiative Nottuln: wir stellen uns vor, Faltblatt

www.fi-nottuln.de; finottuln@t-online.de, c/o Robert Hülsbusch, Rudolf-Harbig-Weg 49, 48301 Nottuln, 02502/9754, Fax /8589