20 Jahre Friedensinitiative Nottuln

Ansprache des Bürgermeisters beim Empfang am 08.06.2001

Meine sehr verehrten Damen und Herren der Friedensinitiative Nottuln,

verehrte Gäste, 

„Die Zeit ist ein kostbares Geschenk, uns gegeben, damit wir in ihr klüger, besser, reifer, vollkommener werden. Sie ist der Friede selbst, und Krieg ist nichts als das wilde Verschmähen der Zeit, der Ausbruch aus ihr in sinnloser Ungeduld“, so der große Schriftsteller Thomas Mann in seinen Reden und Aufsätzen.

 Meine Damen und Herren, dieses Zitat erschien mir für den heutigen Abend angemessen, weil es die Begriffe Zeit und Frieden in Zusammenhang stellt. Und um Zeit und Frieden geht es, wenn wir heute Abend auf das 20-jährige Bestehen der Friedensinitiative Nottuln zurückblicken. 

„20 Jahre FI Nottuln – 20 Jahre Friedensarbeit“

„Erfüllte Träume und arge Rückschläge“

„Bilanz ist negativ – auf der ganzen Linie“

„Seit 20 Jahren Ruhestörer“

 Meine Damen und Herren, das sind nur einige der Überschriften aus den Lokalzeitungen der letzten Tage. Sie zeigen, dass sich die Presse mit der Geschichte der FI und mit ihrer Arbeit in besonderer Weise ausführlich beschäftigt hat.

 Ich bin der Einladung der Friedensinitiative zum heutigen Festakt gern gefolgt, weil ich damit die Möglichkeit erhalte der Friedensinitiative im Namen aller Mitbürgerinnen und Mitbürger Dank zu sagen und zu gratulieren.

 Die Friedensinitiative Nottuln hat sich in den 20 Jahren ihres Bestehens ihren festen Platz im bürgerschaftlichen Miteinander in unserer Gemeinde zunächst gesucht, inzwischen aber schon längst gefunden. Durch meine lange Mitarbeit in der Nottulner Kommunalverwaltung und Kommunalpolitik hatte ich persönlich auch immer wieder Gelegenheit, die Aktivitäten der Friedensinitiative zu beobachten und da, wo sie die Gemeinde Nottuln direkt berührten, auch zu begleiten.

 Waren es nun 20 Jahre Friedensarbeit oder 20 Jahre Ruhestörung? Für die engagierten Mitglieder der FI ohne Zweifel und uneingeschränkt 20 Jahre Friedensarbeit. Für eine ganze Reihe unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger aber waren hier lange Jahre teilweise unbeliebte oder besser gesagt unbequeme Ruhestörer am Werk. Ich selbst sage hier ganz offen, dass auch ich die Aktivitäten, Projekte und Aktionen zunächst mit großer Skepsis verfolgt habe. Das lag zum einen sicher an meiner ganz persönlichen politischen Meinung, die wie sicher viele von Ihnen wissen, durch eine lange Zugehörigkeit zur CDU geprägt ist. Zum anderen aber sicher auch daran, dass es, wie Peter Buddendiek in seinem MZ-Kommentar vom 02. Juni dieses Jahres schreibt, eine Gruppe von Neubürgern war, die die Nottulner durch ihr Tun in der Ruhe störten und sie quasi zwangen, sich mit Themen auch öffentlich auseinanderzusetzen, die doch zu Nottuln eigentlich keinen Bezug hatten. Die FI hatte uns gerade noch gefehlt! Es gab doch in jenen Jahren genug heiße kommunalpolitische Themen, die die Bürgerschaft voll und ganz in Anspruch nahmen und mit denen man sich auch in der Form von Leserbriefen vortrefflich auseinandersetzen konnte.

 

         Der Natodoppelbeschluss,

die Großdemonstrationen in Bonn,

ein Arbeitskreis Friedenswoche,

ein Friedensfest,

ein Friedensmarkt,

die münsterländischen Ostermärsche sogar mit Übernachtung der Teilnehmer in Nottuln und mit Fackelzug durch den Ortskern.

Das alles war für viele neu, unbequem und passte eigentlich gar nicht hierher. Mit diesen Fragen, die dort angesprochen wurden, sollten sich doch eigentlich Die in Bonn, Paris, Brüssel, Washington oder Moskau auseinandersetzen. „Wir ändern doch sowieso nichts“, war die gängige Meinung.

Gründungsmitglied der FI, Robert Hülsbusch, hat schon recht, wenn er in seinem WN-Interview vom 02. Juni 2001 „ganz große Akzeptanzprobleme“ sah, weil die FI an Tabus rüttelte. Und an die teilweise heftigen Reaktionen aus der Bürgerschaft, die tatsächlich in Aussagen wie „Kommunisten“ oder „geht doch rüber“ gipfelten, kann ich mich gut erinnern.

Wenn auch in den achtziger Jahren verschiedene Anträge der Friedensinitiative Nottuln an den Rat, stellvertretend möchte ich hier die Aktion atomwaffenfreie Gemeinde Nottuln aus dem Jahre 1984 nennen, mehrheitlich abgelehnt wurden, so hatte die FI aber erreicht, dass ihre Themen in die Tagesordnung des Rates aufgenommen und dort diskutiert wurden. Auch das war neu und für einen Teil der Ratsmitglieder und der Verwaltung zunächst sicher ungewöhnlich. Wenn Robert Hülsbusch im Vorbericht zur heutigen Veranstaltung schreibt, dass die FI „ Mit all diesen Amtsträgern eine jeweils eigene Geschichte, in der Regel enge Zusammenarbeit“ verbindet, dann ist das im Ergebnis richtig und gut so.

 Denn dieses sich immer wieder neu einbringen der FI, immer wieder mit aktuellen Themen und Fragen die Öffentlichkeit konfrontieren, dies alles hat letztlich doch seine positive Wirkung nicht verfehlt.

 Spätestens seit der Katastrophe im Atomreaktor von Tschernobyl am 26. April 1986, durch die eigentlich auch dem letzten Zweifler die Gefährlichkeit der Atomenergie bewusst werden musste, ein Gefahrenpotential, das uns alle bedroht, besonders wenn es mit der dort an den Tag gelegten katastrophalen Sorglosigkeit und mit der, nach meiner Meinung, völlig fehlenden Sensibilität zum Sicherheitsbedürfnis gehändelt wird. Spätestens von diesem Zeitpunkt an hatte ich das subjektive Gefühl, dass die Bürgerschaft durch dieses schreckliche Ereignis aufgeschreckt war und dass sie, das was die Friedensinitiative Nottuln zu dieser Katastrophe sagte, wie sie informierte und wie sie versuchte, das Ausmaß deutlich zu machen, mit großem Ernst aufnahm.

 War die Katastrophe von Tschernobyl meiner Meinung nach einer der Wendepunkte für die Akzeptanz der FI in Nottuln, so möchte ich als weitere wichtige Schritte der Integration die Hinzunahme der Bereiche Umweltschutz und Dritte Welt nennen. Dass diese drei Themen, einen wie die FI selbst ausführt, „tiefen Zusammenhang“ haben, ist sicher unbestritten.

 Ich wünsche mir, dass sich auch in Zukunft Männer und Frauen aus allen Ortsteilen und Gruppen unserer Gemeinde in der FI Nottuln zusammenfinden, und dass die FI selbst auch in Zukunft die Kraft findet, sich weiter unbeirrt den Themen zu widmen, die oft beim ersten Zuhören oder Hinsehen „weit weg“ sind, die nicht zur Tagesaktualität in unserem Ort, in unserem eigenen engeren Umfeld gehören. Die aber dann bei genauerem Hören und Sehen uns doch alle betreffen und uns wegen ihrer Aktualität eigentlich auf der Haut brennen oder sogar unter die Haut gehen müssten.

Vieles wurde erreicht und wird von den Mitbürgerinnen und Mitbürgern als Erfolg der FI anerkannt.

 

- Eine Städtepartnerstadt mit der polnischen Stadt Chodziez.
- Der Runde Tisch gegen Gewalt.
-
Die Aktionen gegen den Rechtsradikalismus,
- Der Einsatz für ein stetes Gedenken an die Verfolgten von 
  Staatsterror und Gewalt der Jahre 1933 bis 1945.
-
Die Zusammenführung der Eine-Welt Gruppen aus Nottuln zum
  Aktionskreis Joao Pessoa.
- Die Partnerschaftsaktionen für die Flüchtlinge aus Bosnien
- und weitere Aktionen zu Umweltschutz bis hin
- zur Beteiligung der Agenda 21

wären ohne das Engagement der FI nicht oder so nicht möglich geworden, wie sie sich heute darstellen.

 

Die FI hat es geschafft, die Mitbürgerinnen und Mitbürger aus allen gesellschaftlichen Schichten unserer Gemeinde für ihre Arbeit zu interessieren und auch zu aktivieren. Aus Anlass der 15-jährigen Aktivitäten der FI stand in der MZ unter anderem geschrieben: „Als die Gruppe 1981 ihre Arbeit begann, war sie alles andere als etabliert, mehr ein politischer und gesellschaftlicher Fremdkörper, störend, abgelehnt.“ Der Berliner Wissenschaftler Thomas Olemacher stellt später in seiner Studie unter anderem fest, dass die FI Nottuln eine „allmähliche Entwicklung von Ablehnung über Duldung bis hin zur Akzeptanz vollzogen hat“. Aus dem Jahr 1990 gibt es von Frau Hildegard Kamp zur FI die Schlussfolgerung: „Die Friedensinitiative ist ein fest etablierter Faktor im politischen und gesellschaftlichen Leben der Gemeinde Nottuln geworden“. Diesen Aussagen kann ich nur zustimmen. Ich habe dies in der Sendung von Radio Kiepenkerl zum 20-jährigen Bestehen der FI auch bereits deutlich gemacht.

Meine Damen und Herren, die Friedensinitiative in Nottuln hat sich für die Zukunft einiges vorgenommen. Wenn auch nach eigenen Aussagen zur Zeit keine neuen Projekte in Planung sind, so denke ich, wird die Arbeit an den laufenden und aktuellen Projekten die ganze Gemeinschaft weiter fordern. Ich danke der Friedensinitiative für ihr langes und großartiges Engagement in unserer Gemeinde. Wenn auch nicht alles, so ist aber viel erreicht worden.

 Wenn ich zu Beginn eine Überschrift zitiert hatte die da lautete „Bilanz ist negativ – auf der ganzen Linie“ dann wird zwar in dem Artikel von der FI klargestellt, warum diese Bilanz negativ ist, nämlich weil es noch immer Kriege auf dieser Welt gibt und weil die Umwelt noch immer zerstört wird.

Ich möchte hier festhalten, die Arbeit der Friedensinitiative Nottuln war und ist positiv. Meine sehr geehrten Damen und Herren wir brauchen Sie und Ihre Arbeit!

 Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal zitieren aus der lokalen Berichterstattung. Dort heißt es: „aus den Störenfrieden ist längst eine anerkannte Gruppe geworden. ...die Ernsthaftigkeit und die Konsequenz, mit der sich die Friedensinitiative nun schon seit 20 Jahren wechselnden Themen annimmt fordert Respekt.“

 Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ergänzen: Ihre Arbeit erfordert nicht nur Respekt, ihr gebührt besonders am heutigen Tage und am heutigen Abend auch unser Dank. Ich wünsche Ihnen noch viele Jahre erfolgreicher Friedensarbeit in unserer Gemeinde und weit darüber hinaus. Sie haben nicht nur Zeichen gesetzt und Denkanstöße gegeben, sondern durch Ihr Handeln große Teile unserer Bürgerschaft in Ihre Arbeit integriert.

 Lassen Sie mich an das Ereignis aus dem Jahr 1995 erinnern als Ihnen von Hans Martin Linnemann, dem Präses der evangelischen Kirche von Westfalen der Förderpreis Konziliarer Prozess 1995 verliehen wurde. Der Präses hat damals unter anderem ausgeführt, dass es Ihnen gelungen sei, in Ihrem „Lebensumfeld immer wieder zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit friedensrelevanten Themen herauszufordern und dabei auch Möglichkeiten einer konkreten, regional bezogenen Praxis des Friedens aufzuzeigen und anzuregen.

 Das gilt auch heute uneingeschränkt. Nochmals ein herzliches Dankeschön verbunden mit der Bitte und Aufforderung zum Weitermachen.